■ Frühstücksfernsehen am Morgen nach Mölln
: Feuer macht frei!

Seit mindestens 30 Jahren streiten nicht nur Experten darüber, ob die Medien schuld sind an der Verrohung der Gesellschaft. Spätestens gestern nun haben die Angeklagten selber den Beweis des Gegenteils geliefert. Zugegeben, noch etwas ungelenk, aber durchaus schon als Schritt in die richtige Richtung. Da hört man Montagfrüh im Radio die Meldung, in Mölln seien bei einem nächtlichen Brandanschlag drei Ausländer ums Leben gekommen.

Man ist entsetzt, knipst kurz vor halb neun den Fernseher an, um Genaueres zu erfahren. Da sitzt einem ein gutgelauntes Pärchen auf dem Berliner Studiosofa gegenüber, frotzelt aufs allervergnüglichste miteinander und kündigt ebenso fröhlich die Nachrichtensprecherin an.

Dann geht's los. Möllemann verspricht, anstandsvoll verschlüsselt, Autobahnen statt Sozialhilfe als Aufschwung Ost. Nachricht Nummer zwei ist Mölln. Es habe sich nicht um Bewohner eines Heims für Asylbewerber gehandelt, sondern um seit Jahren in Deutschland ansässige türkische Familien. Zwei Frauen und ein Kind seien verbrannt. Weiter geht's mit Naturkatastrophen, und zwar nach dem Prinzip der Steigerung: elf Tote bei Wirbelsturm in Texas. Dann noch ein bißchen Menschliches: die dicke Sophia Loren betastet dünne Somalis im Flüchtlingslager und so weiter bis zum Wetter. Nun wieder die etwas gedämpftere Studiobesatzung mit den Kurzberichten. Der erste aus Mölln. Feuerwehrmänner, Staatsanwalt: Verdacht auf rechte Täter, betroffene Nachbarn. Flammen. Schnitt. Und nun sitzt unser Moderator nicht mehr auf dem Sofa, sondern hat sich launig-locker auf eine Treppenstufe plaziert, denn es gilt, Bericht Nummer zwei einzuleiten. Das heißt, braucht er gar nicht mehr, eingestimmt sind wir ja schon. Es geht nämlich über die Feuertherapie in Bayern: Wenn Sie Krach zu Hause oder Ärger mit dem Chef haben, plaudert er, dann hilft Feuer. Und man sieht gesetzte Herrschaften in mittleren Jahren, die unter therapeutischer Anleitung barfüßig-gesittet durch die Glut laufen.

Was lernen wir daraus? Richtig, Feuer macht frei! Wenn wir etwas älter sind und nicht mehr so viel Aufregung vertragen, fahren wir für 375 Mark nach Bayern und lassen zündeln. Wenn wir jung sind, schaffen wir uns das Flammenspektakel selbst. Es kostet nichts und ist auch spannender. Allerdings sollten wir dabei in Zukunft doch ein wenig umsichtiger bei der Auswahl der mitspielenden Statisten sein. Frauen und Kinder sind schon okay. Aber doch nicht langjährige Bewohner unseres Landes! Die sind ja schon so gut wie deutsch. Und noch nicht mal aus dem Osten. Christel Dormagen

Freie Autorin