Blankoscheck für Alberto Fujimori

Bei den Wahlen in Peru siegte die Partei des diktatorisch regierenden Präsidenten/ Opposition und Guerilla boykottierten den Urnengang/ In der Armee lauern neue Putschisten  ■ Aus Lima Ralf Leonhard

Präsident Alberto Fujimoris Plan, die neue Verfassunggebende Versammlung total unter seine Kontrolle zu bringen, ist offenbar gelungen. Die Liste des seit April diktatorisch regierenden Staatschefs ging aus einem Wahlgang am Sonntag mit fast 50 Prozent der gültigen Stimmen als stärkste Partei hervor und kann mit 43 von insgesamt 80 Mandaten im Kongreß rechnen, der am 3.Januar seine Arbeit aufnehmen soll. Diesen Erfolg hat Fujimori paradoxerweise den Parteien zu verdanken, die die Wahlen boykottierten und ihre Anhänger zur Anullierung ihrer Stimme aufriefen.

Die emotionslosesten Wahlen, an die sich die PeruanerInnen erinnern können, dienten der Rückkehr zu der von Fujimori am 5.April unterbrochenen Verfassungsmäßigkeit. Der neue Kongreß soll das damals großteils suspendierte Grundgesetz von 1979 reformieren, nach Meinung der Opposition aber vor allem die autokratische Herrschaft des Präsidenten legitimieren. Vor allem gegenüber der Organisation Amerikanischer Staaten und den Internationalen Finanzinstitutionen, die in Mißbilligung des kalten Staatsstreichs wichtige Kredite zurückhalten. Die Spielregeln wurden nicht im Dialog mit den Parteien festgelegt, sondern von der Exekutive diktiert und enthielten jede Menge Fallgruben. Deswegen entschlossen sich die größten Parteien zum Boykott und riefen zur Abgabe ungültiger Stimmen auf. Diesem Aufruf kamen über 20 Prozent der WählerInnen nach. In manchen Provinzen überstieg die Anzahl der ungültigen Stimmen sogar die der Regierungsliste. Weitere 20 Prozent der Wahlberechtigten blieben den Urnen überhaupt fern, obwohl die Wahlpflicht mit hohen Geldstrafen durchgesetzt wird. Wer keinen Stempel in seinem Wahlausweis vorweisen kann, darf weder das Land verlassen noch einen Scheck wechseln.

Fujimori hat während des Wahlkampfes kein Geheimnis daraus gemacht, daß er einen Blankoscheck für die Reform der von ihm suspendierten Verfassung wünscht und Millionen an Regierungsgeldern in die Kampagne seines Kandidaten Jaime Yoshiyama gesteckt hat. In einer unvorsichtigen Stellungnahme deutete er sogar an, er würde auch diesen Kongreß auflösen, wenn seine Liste die absolute Mehrheit verfehle. Viele der angestrebten Reformen hat der Staatschef bereits per Dekret vorweggenommen. Sie betreffen vor allem die Aufweichung der sozialen Rechte wie Kündigungsschutz und Gewerkschaftsfreiheit, die dem neoliberalen Wirtschaftsplan im Wege stehen. Die Verschärfung der Strafgesetzgebung und Unterhöhlung der Rechtsstaatlichkeit wurde durch eine Reihe von Antiterrorismuserlässen längst verwirklicht. Jetzt will Fujimori die vor 13 Jahren abgeschaffte Todesstrafe wieder einführen. Am liebsten sogar rückwirkend, um Abimael Guzman und andere Anführer der maoistischen Guerillaorganisation Sendero Luminoso hinrichten zu können. Fujimori hat sich den totalen Sieg über die Guerilla bis 1995 vorgenommen. Am Wahltag besuchte er demonstrativ das Andendorf Chuschi, wo Sendero im Mai 1980 mit dem Überfall auf ein Wahllokal die erste bewaffnete Aktion durchgeführt hatte.

Nach der Ergreifung des von seinen Anhängern wie ein Prophet verehrten Guzman vor zwei Monaten scheint Sendero Luminoso tatsächlich angeschlagen zu sein. In den letzten Tagen häuften sich zwar Attentate auf Polizisten und Anschläge mit Autobomben mitten in Lima, doch ein vor wenigen Tagen von Sendero ausgerufener bewaffneter Streik, der den Verkehr in der Hauptstadt paralysieren sollte, wurde nach einem Tag als empfindlicher Mißerfolg abgebrochen.

Doch das politische Überleben Fujimoris hängt letztlich vom Erfolg seiner Wirtschaftspolitik ab. Der radikale Wechsel von der chaotischen Politik seines Vorgängers im Präsidentenamt Alan Garcia zu einer neoliberalen Roßkur hat die Verelendung des Landes nur beschleunigt. Wenn es Fujimori nicht gelingt, diese Talfahrt zu stoppen, dann kann ihm auch eine maßgeschneiderte Verfassung nicht helfen. Die Verschwörer in der peruanischen Armee und in mehreren politischen Parteien, deren Staatsstreich vor zehn Tagen gerade noch vereitelt werden konnte, lauern schon auf ihre nächste Gelegenheit.