Gezeichnete Männchen parieren aufs Wort

■ F.K.Waechter, Altvater der neuen Frankfurter Schule, zu Satire, Theaterarbeit & Bremer Stadtmusikanten

„Die Bremer Stadtmusikanten“ von F.K.Waechter haben heute um 18 Uhr im Schauspielhaus in einer Inszenierung von Franz Peschke Premiere.

taz: Ihre „Bremer Stadtmusikanten“ stammen bereits aus den 70er Jahren. Inwiefern haben Sie sich in diese Bremer Inszenierung eingemischt?

F.K.Waechter: Damit hab ich gar nichts zu tun. Ich hab nur kurz vor der Premiere mal draufge

hierhin Mann mit Haaren und

Brille

schaut. Der Regisseur setzt stark auf Choreografie und hat neue Lieder von mir nachgefordert.

Ist das Stück denn noch zeitgemäß nach diesen 20 Jahren?

Man könnte fast meinen, daß die politische Situation dem Stück einen neuen Boom verschafft: die hohe Arbeitslosenzahl, wo ja auch viele Esel ihren Tritt in den Hintern bekommen und gehen können, um sich ein neues Bremen zu suchen. Das kann ich

aber kaum glauben, weil es in den Stadttheatern ja meistens als Weihnachtsmärchen gespielt wird — und man solche Gedanken nicht denkt, dachte ich.

Wenn Sie sagen „ein neues Bremen suchen“ klingt das nach einer Art Schlaraffenland...

Nein, das ist wie bei Grimm: Die brechen auf, um eine neue Zukunft als Stadtmusikanten in Bremen zu suchen. Aber sie kommen ja nie nach Bremen! Gottlob, denn es ist ja nicht das reale Bremen. Denen gefällt es in ihrem eroberten Räuberhaus so gut, daß sie bleiben. Und bei mir geht es noch einen Tick weiter: Überall, wo es ihnen gefällt, ist Bremen. Insofern steht Bremen im Märchen wie in meinem Stück als Utopie, als Alternative zum Säckeschleppen. Und bei mir sind diese Tiere auch eher Menschen, ihre Gefühle sind ja auch nicht eselig, sondern menschlich. Der Hund ist der Boxer eines Jahrmarktschaustellers, der Esel bei einem Müller als Säckeschlepper, die Katze ist eher eine Frau, die es ihrem „Herrn“ lange Zeit recht gemacht hat, bis eine andere ihr vorgezogen wird und sie den Laufpaß bekam. Und der Hahn soll zwar in die Suppe für die Gäste, aber der Bauer wehrt sich dagegen, weil der Hahn ihm bei der Arbeit immer Lieder singt — er ist also eine Art Kulturtreibender. Diese Mischgestalten sind stärker am Menschen dran als im Märchen, weil man sie im Theater ja sehen muß.

Inwiefern gehen Sie auf die Bedürfnisse von Kindern ein?

Überhaupt nicht. Ich bin so dreist zu meinen, wenn die Geschichte klar ist und die Emotionen deutlich, dann ist das was für Kinder. Diese Inszenierung ist mir an einigen Stellen auch zu kindertheatermäßig. Daß Kinder dies lieben, ist ein Vorurteil von Erwachsenen. Ich habe keine Schwierigkeiten, alle menschlichen Dinge, Liebe, Haß, Eifersucht, Tod — auch Kindern vorzusetzen.

Wie unterscheidet sich die Theaterarbeit denn vom Zeichnen, mit dem man Ihren Namen ja eigentlich verbindet?

Viel weniger als man meint. Sich Geschichten ausdenken für irgendwelche Figuren, die man in der einen Arbeit zeichnet und in der anderen von Schauspielern umsetzen läßt, ist recht ähnlich. Entscheidender Unterschied: Daß die gezeichneten Männchen leicht alles tun können, was ich von ihnen verlange. Und die parieren mir aufs Wort. Schauspieler sind damit überfordert. Dafür können mit den Schauspielern neue Sachen entstehen, Schönere als das, was man sich am Schreibtisch ausdenkt. Deshalb mache ich bei neuen Stücken auch gerne die Regie.

Sind die Figuren zu langweilig geworden, daß Sie sich vom Zeichnen verabschieden, wie man gerüchteweise hört?

Nein, nein. Ich hab lediglich bei „Titanic“ aufgehört, weil ich mit der Theaterarbeit zu viel am Hut hatte, aber nicht im Zorn. Außerdem probiere ich immer gern Neues. Darauf hoffe ich, zumal ich lange genug so eine komisch- satirische Schiene bedient habe.

Welches Theaterprojekt haben Sie als nächstes vor?

Ich sitze ständig an neuen Sachen, ich wüßte die Zahl gar nicht zu sagen. Mindestens drei Inszenierungen sind es in nächster Zeit. Für zwei davon gibt es noch gar kein Theater — weil ich eigentlich diese Bedingungen am Theater, den Druck hasse: In vier bis sechs Wochen etwas fertigzustellen, womöglich noch mit fremden Schauspielern. Davor hab ich Schiß, und das auch begründet.

Werden Sie wieder Filme machen?

Nein. Man muß ja nicht alles machen. Mit dem Film „Kiebich & Dutz“, zu dem man mich überredet hatte, hab ich alle Vorschußlorbeeren verspielt. Im Theater kann man mit einem Autoreifen und einem Kochtopf die ganze Welt spielen. Und im Film bleibt ein Autoreifen ein Autoreifen und der Kochtopf ein Kochtopf. Der ganze Charme, die Leichtigkeit, das Amusement, das dieses Theater bereitet, hatte im Film, in derselben Szene, etwas beklemmendes, verrücktes. Ich hatte bis zum Schluß geglaubt, daß das auch eine Qualität haben könnte. Aber es hat nicht funktioniert.

Werden wir auch in der nächsten Saison Gastspiele von Ihnen in Bremen haben?

Heyme wollte in Essen, daß ich jedes Jahr etwas für ihn mache. Aber da schwamm er im Geld. Hier muß er ja „mit nichts“ Theater machen. Ich weiß es also nicht.

Interview: Birgitt Rambalski

Foto: Jörg Landsberg