Topinambur und Hammelmöhren

■ Vom Arme-Leute-Essen zur Spezialität: Lange Zeit führten „alte“ Obst- und Gemüsesorten ein Schattendasein / Umweltschützer und Köche verhelfen ihnen jetzt zur Renaissance

Wenn der Obstbauer Hermann Cordes im Herbst seine Apfelbäume inspiziert, freut er sich über ihre Farbenpracht. Die abwechselnd gelben, roten, orangenen, goldenen, grünen, bläulich-violetten und sogar weißen Früchte lassen die Bäume wie bunte Blumensträuße erscheinen. Ihre Namen sind ebenso farbenfroh: Goldprinz, Graue Französische Renette, Holsteiner Zitrone, Veilchenblütenapfel oder Grünapfel heißen sie.

Während das Apfelsortiment der Supermärkte nur rund zehn Sorten umfaßt, hat Cordes etwa 350 zu bieten. Zwar fallen die meisten durch das Netz der Normen des Ertragsanbaus. Denn hier zählen Farbe, Form und Festigkeit der Frucht. Doch vielleicht sind die kleinen Äpfel gerade wegen ihrer Schönheitsfehler bei Verbrauchern beliebt. Ihr blumiges, einmaliges Aroma können genormte Äpfel nicht bieten.

Zurück zu den Wurzeln, das gilt auch für das Gemüse. Gärtner und vor allem Biobauern säen wieder Teltower Rübchen, Topinambur, Rote Bete, Hammelmöhren, Puffbohnen, Gartenkürbis oder Steckrüben. Ihre Ernte bieten sie auf Wochenmärkten, direkt ab Hof oder ab Gärtnerei an.

Nicht nur Verbraucher fragen nach den schmackhaften Alternativen. Auch Köche entdecken die „alten“ Delikatessen wieder. So zum Beispiel Topinambur, der wegen seiner knackigen Frische besonders als Salat schmeckt, aber auch als Gemüse — mit einem Hauch Butter und schwarzem Pfeffer — köstlich ist.

Die Renaissance alter Gemüse- und Obstsorten ist vor allem Umweltschützern zu verdanken. Die wollen für die Nachwelt die (Aroma-)Vielfalt dieser Kulturpflanzen erhalten. Dafür ist es auch allerhöchste Zeit. Erst kürzlich warnte die amerikanische Organisation FAO eindringlich vor dem drohenden Verlust von einigen tausend Nutzpflanzen.

Insbesondere die Organisation Arche Noah hat sich der Erhaltung des Grünzeugs verschrieben. Sie will gefährdete Nutzpflanzen ver-

1mehren und ist stets auf der Suche nach „alten“, im Handel nicht mehr erhältlichen Samen. Die Sorten werden jährlich in einem Katalog veröffentlicht, über den Interessierte beim Koordinationsbüro, Margaretenstr. 14, Gozzoburg, A-3500 Krems/Donau, Tel.: 0043/2732-73650 mehr erfahren.

In dem Arche-Noah-Katalog

1dürfen auch Privatgärtner Samen zum Tausch anbieten. Jedermann soll schließlich in den Genuß etwa des Wiesenbärenklau kommen. In der Literatur heißt es dazu: „Der Bärenklau reizt zu ehelich Werken, aber bei uns ist die Pflanze auch in dieser Hinsicht in Vergessenheit geraten.“ Gaby Haas/Annette Sabersky