Kleingedruckte Schweinereien

■ betr.: Asylbeschluß des SPD-Sonderparteitages

Asylbeschluß des SPD-Sonderparteitages

Der SPD-Sonderparteitag hat also in punkto Asyl wie befürchtet entschieden. [...] Diese Anbiederei nach rechts zeugt von einem eklatanten Mangel an politischer Lernfähigkeit – die britische Schwesterpartei hat über drei Wahlperioden masochistisch vorexerziert, wie unsinnig es ist, sich dem Wahlvolk als die netteren Konservativen anzubieten –; die jetzige SPD kann bei ihrer blinden Gier nach der Macht einfach nicht begreifen, daß auch die hiesigen Wähler, sollten sie denn mehrheitlich Bedarf nach konservativer Staatsführung verspüren, sie dann allemal eher (denn nur wo CDU draufsteht, ist auch CDU drin) die Rechten wählen.

Bei den nächsten Wahlen wird die SPD eine neue Gruppe von Nichtwählern kennenlernen: nicht mehr nur die Autonomen à la Kreuzberg oder Hafenstraße, sondern dann auch die wesentlich größere Gruppe derjenigen Linken, die bisher noch vage Hoffnungen in ein rot-grünes Bündnis und damit in einen parlamentarischen Weg zu einer humaneren, toleranteren Demokratie setzten. [...] Frank Boelm-Panicke,

Hannover

[...] Zwar habt Ihr Euch in der Asylrechtsdiskussion sehr viel Mühe gegeben, mehr als alle anderen Zeitungen. Aber das aktuell Wesentliche habt Ihr unterlassen, nämlich den SPD-Leitantrag rechtzeitig vor der Abstimmung zu untersuchen und die dort kleingedruckten Schweinereien großzudrucken. Die Petersburger Drohung mit Länderlisten wurde zwar fallengelassen, aber eine viel größere Keule ist nun ohne viel Aufsehen abgesegnet worden.

„Asylbewerber, die die Bundesrepublik Deutschland über ein Drittland erreicht haben, ... müssen in das Drittland zurückkehren.“ (Antragstext). Wie viele Asylbwerber gibt es denn, die Deutschland nicht über ein „Drittland“ erreichen? Praktisch alle Asylbewerber können durch diesen schmutzigen Trick der „Drittlandsregel“ abgeschoben und an der Antragstellung gehindert werden. Es gibt zwar weiterhin den Art.16 in der Verfassung, mit individuellem Rechtsanspruch usw., er kann aber nur noch in Anspruch genommen werden, von a) Bürgern unserer Nachbarstaaten, in denen es bekanntlich keine Verfolgung und Diktatur gibt, b) Flüchtlingen, die per Schiff oder Flugzeug aus ihrer Heimat direkt nach Deutschland kommen können trotz der Auflage, nur Personen mit gültigen Visadokumenten an Bord zu lassen, und voraussichtlich c) Asylbewerbern, die von Deutschland nach einem EG-Vertrag über Asylrecht und Quotenverteilung gnädigerweise den europäischen Mittelmeeranrainern abgenommen werden. Bei denen werden sich nämlich nach einer Abschaffung des deutschen Asylrechts im Namen seiner Europäisierung die Flüchtlingsströme stauen, analog zur Südgrenze der USA, während im Osten Abschiebeverträge mit Polen und der Tschechischen Republik Asylbewerber fernhalten sollen. Mit der Drittlandsklausel soll Deutschland seine zentrale Lage nutzen und den europäischen Randstaaten die unangenehme Arbeit aufhalsen, Europas Grenzen in Festungsmauern zu verwandeln.

Im übrigen ist auch die Länderliste in Wahrheit nicht gestorben im SPD-Parteitagsbeschluß. Sie wird nur nicht mehr eingesetzt für den Ausschluß bestimmter Bewerbergruppen vom Asylverfahren, sondern für die Einweisung dieser Gruppen in ein „Schnellverfahren“, das nicht präzisiert wird, allerdings rechtsstaatlichen Kriterien genügen soll. Also eine Selektion in Asylverfahren 1. und 2. Klasse.

Die SPD hat nunmehr tatsächlich eine „Lösung“ des Flüchtlingsproblems vorgeschlagen, nämlich die Abwälzung auf die Transitländer, wenn diese einer staatsvertraglichen Quotierung nicht zustimmen wollen. Diese Aushebelung des Grundgesetzes käme nicht zustande, wenn entweder in der SPD-Fraktion sich doch noch genügend Verteidiger des unbeschnittenen Art.16 finden oder die CDU-Führung indirekt am 16er festhält, um ihre beste Wahlkampfwaffe nicht zu verlieren. Roman Sippel, Göttingen