Innenminister als Erpressungsopfer

■ Prozeß gegen ehemaligen DDR-Bürger/ 37jähriger drohte in Brief an Seiters mit Attentaten und forderte 12 Millionen

Moabit. Zwölf Millionen Mark versuchte der 37jährige Dieter Z. im März vom Bundesinnenministerium zu erpressen. Mit zwei Schreiben an Innenminister Rudolf Seiters begann er seinen Privatkrieg: Der ehemalige DDR- Bürger drohte mit der „Verseuchung des Grundwassers, Angriffen auf Bahngleise und der Eliminierung von führenden Persönlichkeiten“. Bei einer vermeintlichen Geldübergabe wurde er am 10. März von einer Antiterroreinheit des Bundeskriminalamtes (BKA) auf der Autobahn Berlin-Cottbus festgenommen. Seit gestern steht der 37jährige wegen versuchter Erpressung vor dem Landgericht.

In seinem ersten Schreiben an Seiters hatte sich Dieter Z. als „Mitglied einer militärischen Sondereinheit eines Staates, der nicht mehr existiert“ ausgegeben. Diese Formulierung sorgte dafür, daß der Drohbrief nicht als die Tat eines Spinners abgetan wurde. So vermutete Bundesjustizminister Kinkel, daß es sich um ehemalige Stasi-Mitarbeiter handeln könne, die sich in den neuen Verhältnissen nicht zurechtfänden.

So absurd es klingen mag, der 37jährige gab gestern „die Gefahr, die von Stasi-Seilschaften ausgeht“, als eines seiner Motive für den Erpressungsversuch an. Gewaltsame Anschläge dieser Gruppe halte er weiterhin für möglich. Schließlich seien viele Stasi- Leute mit ihrer Lebenssituation unzufrieden. Der geborene Görlitzer will mit seiner Tat „die Sicherheitsorgane angeschoben“ haben, gegen diese Leute zu ermitteln.

Aber auch Rachegefühle haben eine Rolle gespielt. Der 37jährige, der 1987 mit Frau und Tochter aus der DDR ausreisen durfte, hat massiv unter den Repressionen des DDR-Staates gelitten. Als Sohn eines NVA-Offiziers habe er seine Ausbildung zum Armeepiloten abbrechen müssen. Seine damalige Freundin und heutige Frau Petra Z. hat eine Schwester, die in Bremen wohnt. Westkontakte in der Verwandtschaft aber waren für Mitglieder der NVA verboten: „Es wurde mir nahegelegt, mich entweder für den Beruf oder für meine Frau zu entscheiden.“ Dieter Z. blieb bei seiner Frau. Die Entscheidung verbaute ihm in den folgenden Jahren den beruflichen Werdegang. Die Wende aber verkraftete der Angeklagte offenbar nicht, obwohl er in Bremen eine Anstellung als Vorarbeiter gefunden hatte. Den Richtern erklärte er, er verstehe nicht, daß die, die ihm das Leben schwergemacht hatten, reibungslos den Übergang geschafft hätten.

Heimisch hat sich der Angeklagte im Westen nie gefühlt („Da dreht sich alles ums Geld.“). Gegen den Willen seiner Frau versuchte er, sich in Görlitz selbständig zu machen. Das mißlang, hinzu kam eine schwere Familienkrise. Das Leben habe keinen Sinn mehr gehabt, sagte der Angeklagte gestern und fand die Erpressung „endlich richtig spannend“. Wie von einem Abenteuerspielplatz berichtete er dem Richter von seinem Verdacht, daß er observiert worden sei, und von seinen Telefongesprächen mit den BKA-Beamten, die er in ein Berliner Hotel bestellt hatte, um über die Geldübergabe zu verhandeln. Zu der wollte er aber nie erscheinen, denn „da wird ja meistens der Täter geschnappt“. Warum er dennoch auftauchte, erklärte er damit, daß er „sehen wollte, was passiert“. Ralf Knüfer