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■ KommentarVorbild Heckelmann

„Betroffenheit“ zeigt unser Innensenator angesichts der Mordbrennerei von Mölln. Die ausländischen Mitbürger von Berlin sollten fortan noch viel besser als bisher geschützt werden, versprach Dieter Heckelmann dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde. „Der Senat und die Berliner Polizei werden das in sie gesetzte Vertrauen auch in Zukunft rechtfertigen“, schwor der CDU-Mann, „damit das gute Zusammenleben zwischen Berlinern und ausländischen Mitbürgern seine Vorbildfunktion behält.“

Nur wenige Stunden nach diesem Gespräch lieferten Unbekannte einen neuen Beweis für das vorbildliche alltägliche Klima in dieser Stadt. Sie setzten einen türkischen Imbiß in Brand und schmissen das Schaufenster eines türkischen Teppichladens ein. Unsere vorbildliche Polizei, wissend darum, daß der Kampf gegen Rassismus im Kleinsten und Alltäglichsten beginnt, ließ es erst gar nicht zu einer Beunruhigung unserer ausländischen Mitbürger kommen, indem sie in ihrem Pressedienst jeden Hinweis auf die türkische Herkunft der Geschädigten unterließ. „Imbißbude brannte“ – kann ja mal vorkommen. Also: Wer Probleme hat, der möge Heckelmanns Rat annehmen: „In Berlin ist jeder Polizeibeamter Ansprechpartner.“ Seinen zweiten Rat, um dem letzten Restrisiko eines rassistischen Anschlags zu begegnen, hat er offenbar aus seiner hessischen Heimatprovinz mitgebracht: Man müsse nur die Jugendarbeit der Freiwilligen Feuerwehren „nachhaltig“ verstärken. Denn es liege „auf der Hand, daß ehrenamtlich tätige Jugendliche gegen die Verführungen zu Gewalttaten“ eher gefeit seien.

Selig sind die geistig Armen, heißt es schon in der Bibel. Bei Unterschreitung einer gewissen Armutsgrenze besteht jedoch die Verpflichtung zum gesellschaftlichen Einschreiten. Christlichen Politikern mag das Wegbeten von Problemen eine süße Tradition sein, aber sie mögen sich doch nicht einbilden, mit polizeilichen statt politischen Antworten die hochbrisante Situation in Berlin und Deutschland entschärfen zu können. Ute Scheub

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