Wein, Weib und Fußball

Den Niederkirchener Fußballerinnen um Torjägerin Heidi Mohr kann im Süden der Republik keiner mehr Paroli bieten. Das Ziel heißt Pokal  ■ Von Peter Unfried

Keine drei Kilometer von der deutschen Weinstraße entfernt, zwischen Bad Dürkheim im Norden und Neustadt im Süden und im Herzen des Haardts, liegt Niederkirchen. 2.044 Einwohner, sieben Gaststätten, kein Kino, keine Diskothek, etwas Fremdenverkehr. Eine Weinbaugemeinde, deren Wohl und Wehe eng mit dem Gedeihen der Reben an ihren Hängen verbunden ist. Die Winzer sind allerdings derzeit nicht gerade bester Stimmung: Zwar hat man einen guten Jahrgang in den Keller gebracht, doch dort sind im Moment auch die Preise.

Mit dem Wein steht es also nicht zum allerbesten, dafür mit den Frauen. Den Fußballerinnen, um genau zu sein. Nach dem sonntäglichen 1:0 gegen den FSV Frankfurt steht der TuS Niederkirchen bereits nach Abschluß der Bundesligavorrunde als Südmeister so gut wie fest. Neun Spiele, neun Siege, sechs Punkte Vorsprung: Trainer Edgar Hoffmann kann bereits für die Halbfinals im nächsten Sommer planen.

Doch soweit war man auch in den Vorjahren schon. Heuer, das hatte Heidi Mohr, Deutschlands bekannteste Kickerin und Niederkirchens Aushängeschild, bereits vor der Saison verkündet, wolle sie endlich einmal in ein Endspiel. Also mußten Verstärkungen her, „gezielte“, wie Hoffmann sagt, „auf den Positionen, auf denen wir im Vorjahr nicht optimal besetzt waren“. Es kamen vom FSV Frankfurt die Torhüterin Pia Boos, aus Opppenbüttel die WM-Teilnehmerin Beate Wendt und vom Erzrivalen VfR Saarbrücken die Nationalstürmerin Patricia Grigoli. „Früher“, sagt der Hauptschulkonrektor Hoffmann, „war es so, daß, wer Heidi Mohr ausschaltete, auch Niederkirchen im Griff hatte.“ Das hat sich mit Beginn der neuen Saison geändert, besonders, weil seit Anfang November die Wechselsperre für Patricia Grigolis abgelaufen ist.

Seitdem tut nämlich die hochbegabte Technikerin in vorderster Strafraumfront ihre räumeschaffende Schuldigkeit, während die Mohr, aus der zweiten Reihe kommend, mit ihrer enormen Schnelligkeit durch die Lücken huscht und solcherart eifrig an ihrem Müllerschen Torquotienten arbeitet.

Im Süden der Republik spielen die Pfälzerinnen jetzt in ihrer eigenen Klasse. Noch scheut man sich allerdings, dem bundesweiten Branchenführer aus Siegen den Kampf anzusagen. Während der TSV-Manager Gert Neuser nämlich bundesligaintern als Frauen- Calmund gilt, der alles zusammenholt, was gut und zu haben ist, müssen die Pfälzer die guten, alten Fußballtugenden des Weinstraßen-Anrainers Herberger selig preisen. „Die anderen haben Geld“, glaubt etwa der TuS-Vorsitzende Franz-Josef Schalk, „wir haben Kameradschaft.“

Der Etat, heißt es, sei immer noch fünfstellig, und mithin nur ein Bruchteil des Siegeners, den Spielerinnen winken neben etwas Fahrgeld noch Punktprämien von 25Mark. Daneben gibt es die eine oder andere Vergünstigung, die Beschaffung eines Arbeitsplatzes, mit der man etwa die Stürmerin Wendt anlockte, doch das war's dann. Dafür steht ganz Niederkirchen hinter seinen Fußballerinnen. Während die TuS-Herren seit Jahren relativ unbemerkt in der KreisligaB herumdümpeln, kommen zu den Frauen im Schnitt 500 ZuschauerInnen, obwohl die ihre Heimspiele im nahegelegenen Iggelheim austragen müssen, weil Niederkirchen selbst keinen Rasenplatz hat. Noch nicht. Spätestens in zwei Jahren, so hat es der Gemeinderat beschlossen, will man mit Sportzentrum und Rasenspielfeld versorgt sein.

Schließlich könnte man dann schon den Titel deutscher Meister führen. Oder noch besser den eines Pokalsiegers. Am Sonntag trifft man im Pokalachtelfinale auf den Ligakonkurrenten TuS Ahrbach. Bekommt man hernach nicht ausgerechnet die Siegenerinnen zugelost, könnte man bereits vor Weihnachten im Halbfinale stehen. „Wir wollen unbedingt nach Berlin“, sagen übereinstimmend Vorsitzender, Trainer und Bomberin der Nation Mohr. Sogar das bloße Erreichen des Pokalfinales gilt ihnen mehr als eine Meisterschaft. Denn die findet unter Ausschluß der breiten Öffentlichkeit statt, das Pokalendspiel dagegen verheißt ein volles Olympiastadion, langersehntes Medieninteresse und einen finanziellen Regen von Fernsehen und DFB, der eine gesamte Saison absichert.

Und der auch die Sponsoren ungemein freut und motiviert. Neben einer großen Fenster- und Türenfirma sind es die Niederkirchener Winzer, die die sportlichen Ambitionen pekuniär realisieren helfen. Nicht ganz uneigennützig natürlich: Erst seit Heidi Mohr zweimal Ligatorschützenkönigin wurde, kennt man den Flecken auch deutschlandweit.

In der Pfalz ist Niederkirchen dagegen schon lange ein Begriff. Den Bundeskanzler Helmut Kohl etwa zieht es seit Jahren regelmäßig aus seinem nahegelegenen Heimatdorf Oggersheim zum Saumagenessen nach Niederkirchen. Den Fußballerinnen ist er zwar bisher noch nicht begegnet, die Chancen stehen aber gar nicht schlecht, daß man sich im Juni in Berlin kennenlernen wird.