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■ Somalia vor der US-InterventionMarines nach Mogadischu?

Nun scheint sie also doch bevorzustehen, die massive Intervention in Somalia – von manchen ersehnt, von anderen gefürchtet. Für viele, insbesondere ausländische Beobachter, ist sie der einzige Weg, um das von Clan-Verteilungskämpfen und Hunger geschüttelte Land wiederaufzurichten. Nur eine Autorität, die über den unzähligen verfeindeten Einzel- und Gruppeninteressen steht, so ein gängiges Argument, kann eine weitere Selbstzerfleischung Somalias verhindern und zumindest die Grundrisse eines neuen Staates legen, der Versorgungs- und Rechtssicherheit garantiert.

Gesetzt den Fall, die USA machen ihre Ankündigung wahr und schicken 30.000 waffenstrotzende Marines nach Mogadischu: was passiert dann? Die in Washington zu hörenden Darlegungen einer solchen Aktion klingen schräg. Es soll keine Besatzung stattfinden, sondern die Hungerhilfe gesichert werden. Sie soll aber auch nicht einfach nur gesichert werden, sondern Mogadischu einen Kriegsaufmarsch erleben, daß den somalischen Kriegsherren Hören und Sehen vergeht. Es soll aber auch kein mit irgendwelchen Konsequenzen beladener Kriegsaufmarsch sein, sondern die Marines sollen wieder gehen, sobald die Somalis so weit eingeschüchtert sind, daß sie sich nicht mehr trauen, ausländische Hilfskonvois anzugreifen. Dann können nämlich die immer wieder hinausgezögerten UNO-Blauhelme eintreffen, ohne sich kampfbereiten Gegnern stellen und zurückschießen zu müssen.

Die Somalis sollen also vor sich selbst geschützt werden. Nun ist dies ein gerade von älteren Somalis, die über die Disziplin- und Respektlosigkeit ihrer schießwütigen jungen Generation entsetzt sind, öfter geäußerter Wunsch. Aber kann ein US-Soldat mit Maschinengewehr in der Hand, können Hubschrauber in der Luft und Flugzeugträger im Indischen Ozean den in Somalia dringend nötigen neuen Gesellschaftsvertrag ersetzen? Sollen nicht vielmehr wieder die „Wilden“ – nicht mehr Menschenfresser, sondern Plünderer – die harte Hand der Zivilisation spüren? Etwas über hundert Jahre ist es erst her, seit die in Jemen ansässigen britischen Kolonisatoren, auf den Schutz ihres Seewegs nach Indien bedacht, die gegenüberliegende somalische Nordküste zu „befrieden“ suchten. Nach kostspieligen Verstrickungen – schon damals! – in für Außenstehende unentwirrbare Clangegensätze begnügten sie sich mit der Kontrolle der Häfen und machten das Hinterland zum Protektorat. 1993 könnte eine Neuauflage dieser Schaukelpolitik sehen, mit Mogadischu als geschütztem Einfallstor für die Welt, einem tatsächlichen Wiederaufbau Somalias jedoch unverändert weit entfernt. Dominic Johnson

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