In Langweiligkeit versickert

■ Ulrike Edschmid las aus ihrem Buch „Verletzte Grenzen“

Zwei Frauen. Jede von ihnen war mit einem Dichter verheiratet. Beide haben eine Zeitlang im selben Land, in der DDR, gelebt. Die eine hat den Staat mit ihrem Mann verlassen, weil es dort kein Weiterleben für sie gab. Die andere hat bis zuletzt an diesem Land und der Ideologie der Partei festgehalten.

Lotte Fürnberg, Frau von Louis Fürnberg, und Monica Huchel, verheiratet mit Peter Huchel, kommen in einem Buch zu Wort, das am Freitag abend in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung in Moabit vorgestellt wurde. Die Autorin Ulrike Edschmid hat mit beiden Frauen über Monate hinweg Gespräche geführt und aus der Menge von Tonbandmaterial ihre Geschichten aufgeschrieben.

Befragt nach ihren Motiven für diese Arbeit, erläuterte Ulrike Edschmid, daß sie versuchen wollte, sich als Bundesbürgerin der Thematik von künstlerischer Arbeit unter DDR-Bedingungen zu nähern. Dabei hat sie sich tief in die Gedanken und Gefühle der Frauen verstrickt und den subjektiven Blickwinkel beider auf historische Ereignisse zementiert. Übersetzt in ihre Sprache sind zwei Lebensberichte entstanden, deren schwülstiger Stil den Zugriff auf politisch brisante Fragestellungen verhindert. „Als Lotte Fürnberg in die DDR kam und nach langen Jahren wieder festen Boden unter den Füßen spürte, begann der Grund, auf dem Monica Huchel stand, bereits zu schwanken.“ Das stimmt schon historisch nicht, denn die Fürnbergs kamen 1946 aus Prag nach Weimar. Da begann Peter Huchel gerade, die Literaturzeitschrift Sinn und Form herauszugeben, die in den ersten Jahren ihres Erscheinens international einen sehr guten Ruf genoß. Die politischen Schwierigkeiten der Huchels begannen erst später, führten in den fünfziger Jahren zu ernsten Konflikten und endeten schließlich in einer Jahre währenden Isolation, aus der das Ehepaar erst durch die Ausreise in die Bundesrepublik 1971 erlöst wurde.

„Die Lebenswege von Lotte Fürnberg und Monica Huchel bleiben dissonant. Die Widersprüche bestehen zu lassen, ist eine Herausforderung, die wir im Chaos der einstürzenden Ideologien annehmen müssen“, kann man in den „Verletzten Grenzen“ nachlesen. Die Chancen des Verstehens lägen – jenseits aller Bedürfnisse nach Eindeutigkeit – einzig in der Begegnung mit den Menschen. „Die Konturen der Schicksale beider Frauen schärfen sich in der Distanz.“ Dieser Anspruch, von der Autorin im Vorwort formuliert, wird durch den Text nicht eingelöst. Denn gerade die Dissonanz beider Lebensgeschichten ist nicht deutlich herausgearbeitet. Lebensbestimmend für beide Frauen waren ihre Männer. Während Fürnberg zeit seines Lebens ein glühender Kommunist blieb und sich durch Gedichte, wie „Du hast ja ein Ziel vor den Augen“ und „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“, hervorgetan hat, ist Huchel nie SED-Mitglied gewesen. Er hat immer versucht, bürgerlich-humanistische Traditionen zu behaupten und seine Zeitschrift vor dem kleinbürgerlich-ideologischen Gedankensumpf eines Bodo Uhse oder Willi Bredel zu bewahren.

Heutige Leser – vor allem im Westen aufgewachsene – sind mit den Mechanismen und Strukturen, die in der DDR herrschten, viel zuwenig vertraut und können die Vorgänge dort kaum verstehen. Das Buch von Ulrike Edschmid, das zu dieser Aufhellung etwas hätte beitragen können, bleibt in der kleinlichen Sichtweise einer Frau hängen, die zuwenig gewichtet und sortiert hat. So versickert der Text in Langweiligkeit. burk

Ulrike Edschmid „Verletzte Grenzen“, Luchterhand Literaturverlag