Venezuelas Regierung schlägt zurück

■ Der Putschversuch gegen Präsident Perez ist niedergekämpft / Massenverhaftungen, über hundert Tote und eine Gefängnisrevolte / Viele Zivilisten unter den Opfern / Putschanführer nach Peru geflohen

Caracas (AP) – Bei dem Umsturzversuch in Venezuela sind mindestens 138 Menschen getötet und 377 verletzt worden, wie die Menschenrechtsgruppe Pro-Vea am Samstag mitteilte. Es handele sich um Personen, die in der Hauptstadt Caracas und in dem rund 80 Kilometer entfernten Luftwaffenstützpunkt Maracay umgekommen seien. Zu den Opfern zählen dem Vernehmen nach zahlreiche Zivilisten, die zwischen die Fronten gerieten. Außerdem fanden bei einer Meuterei im Gefängnis Reten de Catia in Caracas mindestens 42 Menschen den Tod.

Mindestens 1.000 an dem Staatsstreichversuch beteiligte Personen wurden inhaftiert. Etwa 1.000 Mann befinden sich im Fliegerhorst Maracay in Gewahrsam, der Rest wurde in der Kaserne Fuerte Tuina im Südwesten von Caracas festgesetzt. Darunter sind zwei der drei Anführer des Umsturzversuches, die Admirale German Gruber und Luis Enrique Contreras.

Der dritte Putschistenführer, Luftwaffengeneral Francisco Visconti, floh mit rund 100 Getreuen in einem Transportflugzeug nach Iquitos in Peru, wo er politisches Asyl beantragte. Vor Reportern in Iquitos sagte der General, er und seine Leute hätten sich „aus Gründen der persönlichen Sicherheit“ abgesetzt. Das Außenministerium in Lima teilte am Samstag abend mit, der Asylantrag werde geprüft.

Die Putschanführer hatten erklärt, sie hätten als Interessenvertreter des Volkes gehandelt. Nach amtlicher Darstellung wurden die Rebellen von zwei linken Untergrundorganisationen unterstützt. Unter den Todesopfern ist, wie die Zeitung El Nacional berichtet, der Anführer der „Roten Fahne“, Gabriel Puerta Aponte, der bereits in den 60er und 70er Jahren als „Kommandant Eladio“ Guerillakrieg gegen die Regierung führte. Bei der anderen Untergrundorganisation soll es sich um den „Dritten Weg“ handeln.

Am Samstag waren regierungstreue Einheiten noch in Gefechte mit versprengten Rebellen verwickelt. Insbesondere in der Hauptstadt hielten sich Widerstandsnester. Über dem Präsidentenpalast in Caracas wurde in einem Luftkampf zwischen Hubschraubern ein nach Angaben der Streitkräfte mit vier aufständischen Polizisten besetzter Helikopter abgeschossen. Die Maschine hatte zuvor den Präsidentensitz beschossen. Die vier Insassen kamen ums Leben. In der Umgebung des Palastes gingen Einheiten der Nationalgarde gegen mutmaßliche Heckenschützen vor. Ansammlungen von Passanten wurden aufgelöst. In der Nacht zum Samstag kontrollierten Soldaten die Einhaltung eines nächtlichen Ausgehverbots.

General Ivan Dario Jimenez erklärte im Namen der Streitkräfte, das Militär stehe „absolut loyal hinter der demokratischen Regierung“. Präsident Andres Pérez hatte sich schon am Freitag in einer Fernsehansprache bei den loyalen Soldaten für ihre Unterstützung bedankt. Der 70jährige Sozialdemokrat, dessen Amtszeit im Februar 1994 endet, ist wegen seiner Sparpolitik heftiger Kritik ausgesetzt. Als Test für den Stand seines Ansehens gelten die für den 6. Dezember angesetzten Gouverneurs- und Kommunalwahlen. Pérez rief die Parteien auf, ihren Wahlkampf ungeachtet der jüngsten Ereignisse fortzusetzen.

El Nacional verbreitete am Samstag eine Erklärung der Putschisten, in der die Bombardierung des Präsidentenpalasts und die Besetzung strategischer Einrichtungen als Reaktion auf „die Wut der leidenden Bevölkerung“ bezeichnet wurden. Die Rebellen stünden damit in der Tradition lateinamerikanischer Befreiungskämpfer. Wären sie erfolgreich gewesen, hätten sie sofort Neuwahlen ausgeschrieben, erklärten sie. Auch hätten die aufständischen Soldaten die Anweisung gehabt, den Präsidenten am Leben zu lassen und ihm „humane Behandlung“ zukommen zu lassen, hieß es weiter.