Türken erwarten mehr Schutz

■ Zentrum für Türkeistudien fordert „deutliche Signale“ der Politik

Essen (taz) – Nach dem Möllner Mordanschlag hat sich bei den etwa 1,8 Millionen in Deutschland lebenden Türken ein dramatischer Stimmungswandel vollzogen. Nach den jüngsten Befragungen und Diskussionen ist sich der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien, Professor Faruk Sen, sicher, daß inzwischen in weiten Teilen der türkischen Minderheit die „Angst“ vor Anschlägen und Übergriffen das beherrschende Thema ist. Während sich die jahrzehntelang in Deutschland lebenden Türken bis zum Möllner Mordanschlag überwiegend sicher gefühlt hätten, grassiere jetzt die „Angst, auf die Straße zu gehen“. Um „der großen Distanz gegenüber der deutschen Gesellschaft“ zu begegnen, fordert Sen „deutliche Signale“ seitens der Politik. An erster Stelle verlangt Sen einen verbesserten Schutz durch die Polizei. Schon ein häufigeres Streifefahren in türkischen Vierteln könne neues Vertrauen schaffen, „weil die Menschen merken, es kümmert sich jemand um uns“.

Auf der politischen Ebene müsse ein „Antidiskriminierungsgesetz“ und das Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EG-Bürger auf den Weg gebracht werden. Als einen „harten Schlag gegenüber der türkischen Minderheit“ wertete Prof. Sen gestern die Äußerung von Regierungssprecher Vogel, der im Zusammenhang mit der Trauerfeier für die drei Möllner Opfer von einem „Beileidstourismus“ gesprochen hatte.

Um einer weiteren Verschlechterung des Klimas zu begegnen, will das Essener Studienzentrum in Kürze eine Reihe von Seminaren und Stammtischen zwischen türkischen und deutschen Multiplikatoren initiieren. Trotz der großen Angst und Verunsicherung fordert Sen seine Landsleute auf, in Deutschland zu bleiben. Eine Rückkehr zum gegenwärtigen Zeitpunkt komme einer „Kapitulation“ gleich. Von der großen Mehrheit der Deutschen erwartet Sen jetzt, daß sie für ein friedliches Zusammenleben „Farbe bekennen“. Walter Jakobs