■ Westliche und islamische Staaten klagen die Serben an
: Wer hilft den Überlebenden?

Die UNO-Menschenrechtskommission hat mit ihrer Resolution vom Dienstag die schlimmsten Verletzungen der Menschenrechte in Europa seit Ende des Naziregimes gebrandmarkt. Doch ist zu befürchten, daß für die Hunderttausende von geschundenen Menschen, die die Greuel bisher überlebt haben, daraus wenig folgt. Gefordert wurde die Sondersitzung der Kommission ursprünglich ausgerechnet von der türkischen Regierung, die sich selber in letzter Zeit schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat. Und hinter dem Antrag standen zunächst vor allem eine Reihe islamischer Staaten. Diese haben in den letzten Monaten die Verbrechen an ihren muslimischen Glaubensbrüdern und -schwestern in Bosnien-Herzegowina zwar mit zunehmender Schärfe verurteilt. Die gestern im saudi-arabischen Jiddah beendete zweitägige Sonderkonferenz der islamischen Außenminister zu Bosnien-Herzegowina fordert nun die Aufhebung des Waffenembargos für die Muslime. Doch der Eindruck wächst, daß die islamischen Staaten das Leiden der bosnischen Moslems vor allem möglichst lange als Stachel im Fleisch des westlich- christlichen Abendlandes erhalten wollen. Als argumentative und propagandistische Waffe gerade auch für die Auseinandersetzung über die von islamischen Regierungen zunehmend bestrittene weltweite Gültigkeit bestehender Menschenrechtskonventionen.

Ein nennenswertes Engagement der islamischen Staaten etwa bei der Versorgung der Menschen in Bosnien-Herzegowina mit Hilfsgütern oder bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist bislang nicht sichtbar. Letzteres gilt auch für die meisten westlichen Staaten. Die Aufnahme von gerade einmal knapp 2.500 der mindestens 10.000 bislang befreiten Insassen der berüchtigten Internierungslager in westeuropäischen Staaten ist ein einziger Skandal. Die Bundesrepublik hat erst gestern die ersten 187 von 362 Ex-Gefangenen aufgenommen, obwohl bereits seit vier Wochen eine Zusage der Minister Kinkel und Seiters vorliegt. Wenn der Hunger- und Kältetod von bis zu einer halben Million Menschen in den nächsten drei Monaten droht, ist die noch geringere Aufnahmebereitschaft Englands und Frankreichs keine akzeptable Entschuldigung mehr.

Morgen werden in Genf Vertreter von 50 Ländern – darunter alle EG-Staaten – zu einer Hilfskonferenz für Bosnien-Herzegowina zusammenkommen. Die UNO-Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata erwartet Zusagen für die seit der letzten Konferenz im August immer noch fehlenden 60 Millionen US-Dollar, für die Durchführung der Versorgungstransporte und für die schnelle und unbürokratische Aufnahme von Ex-Gefangenen und Flüchtlingen. Andreas Zumach, Genf