Kultureller Kahlschlag in den Bezirken

■ Kommunale Bibliotheken müssen dichtgemacht werden, wenn der Senat sich mit Sparbeschlüssen durchsetzt: Dreihundert Stellen sollen gestrichen werden

Der Weg in die Jugendbibliothek in Treptow, in die Kinderbibliothek Prenzlauer Berg oder in die Mediothek Buckow kann für die Lesehungrigen bald umsonst gewesen sein. An diesen und rund 100 weiteren Kinder-, Jugend-, Schul- und Stadtteilbibliothken könnte ab nächstem Jahr ein Schild hängen: „vom Berliner Senat wegen Geldmangel geschlossen“. Der auf Initiative des Innensenators Heckelmann angeordnete Sparbeschluß im Bereich kommunale Kulturarbeit „bedrohe die Existenz“, sagt der Volksbildungsstadtrat Stefan Schiede (CDU), komme einem „Kahlschlag“ gleich, bekräftigt sein Tiergartener Kollege Jörn Jensen (AL), sei eine „Katastrophe“, meint Thomas Härtel (SPD) vom Bezirk Steglitz und „katapultiere die Kulturarbeit ins Aus“, so Peter Winkel (PDS) aus Hellersdorf. Quer durch alle Fraktionen und Bezirke klagen die Bildungsstadträte, daß die bereits in den vergangenen zwei Jahren vorgenommenen und die für die nächsten Jahre vorgesehenen Stellenstreichungen ihnen die Luft für dezentrale Kulturarbeit abdrehe.

So habe der Senatsbeschluß von Oktober 1991 glatte 250 Stellen in nachgeordneten Kultureinrichtungen des Berliner Ostens gekostet, und 109 Stellen bei allen Bibliotheken. Im vergangenen Juni sei draufgesattelt worden, 75 Stellen bei den Ost-Kulturämtern gingen ersatzlos verloren. Jetzt aber reiche es endgültig, warnten gestern übereinstimmend die Kulturpolitiker vor Journalisten. Denn mit Senatsbeschluß von Ende August drohen weitere 300 Stellenstreichungen bei sämtlichen Bezirksbibliotheken. Sollte die „Beschlußlawine“ realisiert werden, warnen sie in einem gemeinsamen Papier, dann sei die „kommunale Kulturarbeit ... substantiell gefährdet“ und die „Vielfalt und Besonderheit der Kulturlandschaft ... zerstört“. In einigen Stadtteilen werde es, so warnen sie, überhaupt keine Jugendbibliotheken mehr geben und bei allen anderen Büchereien die Öffnungszeiten insgesamt um über zweitausend Stunden verkürzt.

Die bereits umgesetzten Sparbeschlüsse und die anstehenden Sparandrohungen treffen neben den Bibliotheken sämtliche kommunalen Musikschulen, die Kunst- und Kulturämter und die Volkshochschulen. In diesen Bereichen waren noch 1991 insgesamt über 2.000 Menschen beschäftigt. Davon wurden 434 (also 250, plus 109, plus 75) bereits gestrichen. Wenn der vom Senat angeordnete „Prüfauftrag“ über 300 weitere Stellen Wirklichkeit und wie vorgesehen ab 31. Januar 1993 bis 1997 sukzessive umgesetzt wird, dann sind von 2.000 „KulturarbeiterInnen“ bald nur noch 1.264 übrig. Das bedeutet einen Abbau von über 40 Prozent. Von der einst gelobten „kulturellen Demokratie“ sei dann nicht mehr viel übrig, bilanzieren die kommunalen Experten, denn Kultur, ob Lesen oder Musikausbildung, sei dann nur noch das „Privileg von Besserverdienenden“. Die jüngsten Sparandrohungen sind nur indirekt Thema der im Abgeordnetenhaus laufenden Haushaltsdebatte. Denn die Bezirkshaushalte, in denen die Mittel für die dezentrale Kulturarbeit versteckt sind, sind nur Teilpläne im gesamten Finanzplan. Die einschneidenden Kürzungen in den 23 Bezirken tangieren also in keinster Weise den Kulturhaushalt. „Der Senat streicht dort, wo es ihm nicht wehtut“, kommentierte dies der kulturpolitische Sprecher Bündnis 90/Grüne, Albert Eckert. Mit zwölf Prozent mehr als im vergangenen Jahr, nämlich mit 1,1 Milliarden beantragter Mark, gehen sie „gut gefüttert“ in die Debatte. 60 Prozent dieses Etats müssen allerdings für die Löhne und Gehälter der festangestellten Mitarbeiter der Landesinstitutionen aufgebracht werden. Zum Beispiel für den Generalmusikdirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim. Sein jährliches Grundgehalt beträgt alleine 265.140 Mark. aku