Ultimatum für den Weltsicherheitsrat?

Konferenz Islamischer Staaten schlug bei Sondersitzung über Bosnien-Herzegowina harte Töne an/ Bis 15.Januar soll UN-Sicherheitsrat scharfe Maßnahmen gegen Serbien beschließen  ■ Aus Amman Khalil Abied

Die islamische Staatengemeinschaft hat die UNO zu einem härteren Vorgehen gegen den Krieg um Bosnien-Herzegowina aufgefordert. Zum Abschluß ihrer Sondersitzung im saudischen Dschiddah forderten die Außenminister der Islamischen Konferenz Organisation (OCI) den UN-Sicherheitsrat auf, spätestens bis zum 15.Januar „die erforderlichen Maßnahmen gegen Serbien und Montenegro einschließlich der Anwendung von Gewalt zu ergreifen“. Das Waffenembargo gegen Bosnien-Herzegowina müsse aufgehoben werden. Die Gemeinschaft der islamischen Staaten wurde aufgefordert, enger mit der bedrängten Republik in Ex-Jugoslawien zusammenzuarbeiten, damit sie ihr Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen könne.

Für die arabische Welt sind diese Beschlüsse endlich eine Gelegenheit, Einigkeit zu demonstrieren. „Was in Bosnien passieren konnte, ist ein Ergebnis der Lage in der arabischen und islamischen Welt. Niemand respektiert uns mehr, niemand nimmt uns ernst“, sagte ein arabischer Politiker. „Für die reichen arabischen Staaten ist es auch ein Rehabilitierungsmöglichkeit. Sie wollen der allgemeinen Stimmung entgegenwirken, daß sie bislang nichts zur Lösung der akuten Probleme in der islamischen Welt beigetragen haben.“ Für die Führungen einiger islamischer Staaten lag in der Debatte eine Chance, den stärker werdenden islamistischen Bewegungen in ihren Ländern das Thema Bosnien als ideologisches Terrain streitig zu machen. Die Islamisten waren es, die vor allem den Regierungen Ägyptens, Algeriens, Tunesiens und der Türkei Untätigkeit vorwarfen und schon früh praktische humanitäre Hilfe für Bosnien organisierten.

Die Debatte über Interventionsmöglichkeiten in den serbisch- bosnischen Krieg hat die Rivalitäten zwischen den islamischen Groß- und Mittelmächten und die immensen Spannungen im Nahen und Mittleren Osten jedoch erneut vor Augen geführt. Die unterschiedlichen Optionen, die während der ICO-Debatte vorgetragen wurden, und die von direkter militärischer Intervention bis zu vorsichtigem diplomatischen Lavieren im Kielwasser des UN-Sicherheitsrates reichten, zeigen das unterschiedliche Vorgehen von Saudi-Arabien, Pakistan, dem Iran und der Türkei im Kampf um die politische Vormachtstellung. Vor allem der Iran verfocht eine harte Linie, aber auch die Türkei plädierte zeitweise für eine direkte militärische Intervention.

Ankara fürchtet, daß die serbische Führung ihre Armee gegen den Kosovo und Mazedonien schicken könnte, wenn sie Bosnien erst einmal erobert hat. Es könnte zu einer erheblichen Ausweitung des Krieges kommen, in den dann auch Albanien und Griechenland verwickelt würden. Darum forderten die Vertreter der Türkei nicht nur eine Truppenentsendung nach Bosnien, sondern auch in den Kosovo und nach Mazedonien.

Saudi-Arabien konnte und wollte der Schar derer, die radikale Positionen zur Lösung des Konfliktes einnahmen, natürlich nicht fernbleiben. Darum war eine Radikalisierung im Ton der saudischen Stellungnahmen nicht zu überhören. Gleichwohl blieben die saudischen Forderungen in der Substanz gemäßigt. Der saudische Außenminister Saud Al-Feisal forderte: „Die islamischen Staaten müssen über den UN-Sicherheitsrat Druck ausüben, damit dieser eine Resolution verabschiedet, die die Anwendung von Artikel7 der UN-Charta auf den Konflikt ermöglicht und das Waffenembargo gegen Bosnien beendet.“ Artikel7 der UN-Charta sieht die Anwendung militärischen Drucks gegen die Mitglieder internationaler Organisationen vor, die sich der Ausführung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates widersetzen. Dieser Artikel war nach der Besetzung von Kuwait die Grundlage für die Sanktionen gegen den Irak und für die Bildung einer internationalen militärischen Allianz zur Befreiung des Emirats.

Politische Beobachter berichteten von sehr heftigen Auseinandersetzungen zwischen den „Gemäßigten“ und den „Radikalen“. Die Vertreter der Türkei hätten sich vor allem deshalb schließlich der saudischen Poisition angeschlossen, weil sie sich nicht mit dem Iran in einem Lager befinden wollten.

Die Position des EG-Vermittlers Lord Owen und des UN-Vermittlers Cyrus Vance, die alles versuchten, um auch der gemäßigten Position den Rest von Schärfe zu nehmen, war für die meisten OCI- Delegierten ein politischer Schock. Doch war deren politischer Interventionsversuch im Verhältnis zu ihrer Zielsetzung kontraproduktiv. Er verstärkte die Position der „Radikalen“, daß von der EG und der UNO nichts zu erwarten sei und sorgte schließlich dafür, daß die saudische Position sich im wesentlichen durchsetzte.

Mit den anwesenden Vertretern Sloweniens und Kroatiens wurde über großzügige Wirtschaftshilfe aus den Golfstaaten verhandelt, falls die beiden Staaten in Zukunft Transitgenehmigungen für „alle Sorten von Hilfslieferungen“ erteilen. Dies ist ein klares Anzeichen für die Intention einiger OCI-Mitgliedsstaaten, Waffen nach Bosnien zu liefern. Nach Angaben politischer Beobachter haben einige Staaten auch die Absicht, in Zukunft mehr „islamische“ Milizionäre nach Bosnien zu schicken.