Katastrophentouris

■ Der Kitzel des gelangweilten Alltagsmenschen und die Lust am Krieg

Ein sorgenfreier Alltag, so stellte kürzlich der Freizeitforscher Opaschowski fest, weckt in manchen Menschen das Bedürfnis nach extremen Erlebnissen. Die Tourismusbranche kommt auch diesem Streben nach Abenteuer und Sensationslust entgegen: knallharte Überlebenskurse sind dabei noch die mildeste Form in ihren Angeboten; die Palette reicht bis zu Reisen an Kriegs- und Katastrophenschauplätze.

Geschmacklos aber wahr: die ukrainische Agentur „Kiewtourist“ organisiert einen Trip zum Atomreaktor von Tschernobyl; ein serbisches Reiseunternehmen reagiert auf den Krieg im ehemaligen Jugoslawien prompt mit Besichtigungstouren durch das zerbombte Kroatien, und ein britischer Anbieter will seine Kunden mit Ferien in ein nachgestelltes Konzentrationslager locken. Überhaupt scheint es in England ein besonders ausgeprägtes Interesse an derartigem Katastrophentourismus zu geben. Bei „Holidays für Maniacs“, Ferien für Verrückte, schließt man sich kurzerhand zusammen und bucht den Flug gen Kriegsschauplatz, wenn irgendwo in der Welt Bomben fliegen.

Der Veranstalter Battlefield Tours bringt seine Kriegstrips als wohlgeschnürtes Paket auf den Markt, beschränkt auf die Schlachtfelder vergangener Zeiten. Die Auswahl ist groß. 1993 stehen 70 Reisen zu historischen Kriegsschauplätzen in 28 Ländern auf dem Programm. Egal ob Pearl Harbor, Vietnam oder die blutigen Kämpfe der Maori-Indianer in Neuseeland – Battlefield Tours macht die Schlachten vergangener Zeiten wieder lebendig. „Unser Ziel ist es“, so ein Sprecher des Unternehmens, „wichtige Kämpfe der Geschichte nachzuvollziehen, um so dem Besucher zu vermitteln, was für ein Gefühl es gewesen sein muß, damals dabei gewesen zu sein.“ Das kommt an: die Engländer rühmen sich, sehr viele Stammkunden zu haben, die ihren Urlaub nutzen, um auf den Spuren eines Krieges zu wandeln. Und das lassen sie sich einiges kosten, die Spanne reicht von umgerechnet 360 Mark bis 4.800 Mark; zusätzlich muß sich jeder Teilnehmer für bis zu 120 Mark gegen Personenschaden versichern. Obwohl Battlefield Tours nur über ein Büro im englischen Kent verfügt, sind ihre Gäste international. Nur der Anteil der Kontinentaleuropäer ist den Engländern noch zu gering. Deswegen wurde jetzt bereits eine Reise für den 6. Juni 1994 aufgelegt – zur 50-Jahr-Feier der Invasion der Alliierten in der Normandie. Der Trip ist beinahe ausgbucht. faf/taz