USA hoffen auf somalisches Stillhalten

■ Nach der Zustimmung des UNO-Sicherheitsrats plant das US-Militär die Details der Intervention/ US-Regierung will weiterhin Abzug bis zum 20.Januar/ Kritik und Rücktritte bei Hilfsorganisationen

Washington/Nairobi (wps/afp) — Zuerst kommen die Bulldozer, dann die Soldaten: Die ersten Tage des US-Militäreinsatzes in Somalia werden nach Angaben aus US-Regierungskreisen im wesentlichen aus einem massiven Bauprogramm bestehen, um angemessene Hafen- und Flugplatzkapazitäten für die Landung der Interventionstruppe in Mogadischu zu schaffen. Vermutlich Anfang nächster Woche sollen eine Vorhut von 1.800 US-Soldaten eintreffen, um eine erste ausländische Militärpräsenz zu gewährleisten. Die Gesamtstreitmacht von bis zu 30.000 Mann wird erst nach diesen umfangreichen Vorarbeiten kommen. Die gegenwärtige Planung geht von insgesamt 28.000 US-Soldaten in Somalia aus und einigen tausend aus anderen Ländern.

„Wir gehen nicht mit donnernden Geschützen da rein“, sagte Pentagon-Sprecher Pete Williams. Dem US-Militär schwebt eine Bodenoperation vor, in der die Knotenpunkte der Lebensmittelverteilung im ganzen Land sukzessive besetzt werden. „Wir gehen nicht von einem Angriff aus, im Sinne eines Schlages gegen eine heiße Zone, wo wir Leute erschießen“, sagte der Marinekommandant General Carl Mundy in einem Interview. Von Entwaffnung der somalischen Bürgerkriegsfraktionen sei nicht die Rede. Doch, so Mundy, würde erwogen, Somalier, die ihre Waffen abgeben, zu bezahlen — ähnlich wie dies im Vietnam- und im Golfkrieg passierte.

Die offizielle US-Einschätzung der Situation in Somalia geht davon aus, daß es im Land keine festen Machtstrukturen gibt. Es sei schwer zu wissen, welcher Clan an welchem Tag welche Region kontrolliert, behauptete ein Pentagon- Beamter mit Einblick in Geheimdienstberichte. „Sie fluktuieren einfach“, meinte er. „Es ist so durcheinander.“ In Bezug auf die Bürgerkriegsfraktionen meinte er: „Im Grunde gehen wir davon aus, daß sie aus dem Weg gehen und sich in ihre Clangebiete verziehen.“ Dies, so auch der Außenamtssprecher Robert Boucher, habe man ihnen in Gesprächen bei der UNO-Somalia-Konferenz in Addis Abeba während der letzten Tage deutlich gemacht.

Marlin Fitzwater, Sprecher des Weißen Hauses, äußerte erneut die Hoffnung, die US-Truppen könnten bis zum 20.Januar, wenn die US-Präsidentschaft von Bush auf Clinton übergeht, wieder abziehen. „Unser Ziel ist erst einmal, die Hilfe durchzubekommen und zweitens, das so schnell wie möglich zu schaffen und die Aufgabe so schnell wie möglich an Friedenstruppen der UNO weiterzugeben“, sagte er.

Die offizielle Einschätzung der Lage wird von manchen angezweifelt. In einem aufsehenerregenden CNN-Interview sagte die Somalierin Rakiya Omaar, hohe Mitarbeiterin und Ex-Leiterin der Menschenrechtsorganisation Africa Watch: „Ich denke, die plötzliche Ankunft von 20–30.000 US-Soldaten ohne vorherige Beratung mit Somaliern und Hilfsorganisationen wird die Gewalt eskalieren“. Daraufhin wurde sie am Mittwoch von Africa Watch entlassen. Aus Protest gegen die Entlassung trat der Vizedirektor der Organisation, Alex de Waal, wenig später von seinem Posten zurück. Die Medien, sagte er, hätten Hunger und Chaos in Somalia übertrieben und erfolgreiche Vereinbarungen zwischen Hilfsorganisationen und somalischen Gemeinschaften totgeschwiegen. „Wäre es nicht besser, diese erfolgreiche und billige Methode anzuwenden als eine sehr teure und riskante?“, fragte er.

Kritisch äußerte sich auch Thierry Durand, einer der Somalia-Koordinatoren von „Médecins Sans Frontières“. Die Operation werde bestenfalls eine kurzfristige Beruhigung des Somalia-Problems bringen, sagte er und warf der UNO vor, sie habe es nicht geschafft, mit den somalischen Führern am Tisch eine Lösung auszuhandeln. Er fügte hinzu: „Die UNO-Zahl, wonach 80 Prozent der Hilfsgüter von Banditen gestohlen werden, ist falsch. Ein Wert von 20 bis 30 Prozent ist realistisch. Die UNO hat die falsche Zahl in die Welt gesetzt, um den Militäreingriff zu rechtfertigen.“