Antifa-Demo gegen Stalinisten und Polizisten

■ 21 Festnahmen und mindestens 20 Verletzte bei Autonomen-Protestzug am Samstag/ Blutiger Streit mit Maoisten und unverhältnismäßiger Polizeieinsatz

Berlin. Schon am Versammlungsort der Demonstration gegen Fremdenhaß und Faschismus am Oranienplatz beginnt der Streit. Aber nicht zwischen den etwa 2.000 Polizisten (darunter Polizeipräsident Hagen Saberschinsky) und den rund 3.000 Teilnehmern über das verhängte Vermummungsverbot, sondern untereineinander. Die etwa 30 mit Megaphon und Transparenten erschienenen „Revolutionären Kommunisten“ und die etwas zahlreichere maoistische TKP/PL, beides Unterorganisationen der „Revolutionary International Movement“ (RIM), wollen sich nicht an Absprachen halten. Denn das „Kreuzberger Bündnis – Opposition von unten“ hatte der extrem gewaltbereiten und stalinistisch organisierten RIM einen Platz am Ende des Zuges zugewiesen.

Zur ersten Schlägerei kommt es auf Ostberliner Terrain in der Adalbert-, blutig wird es dann 50 Meter weiter in der Köpenicker Straße. Autonome versuchen, der RIM, die vorwiegend TürkInnen organisiert hat, die Bilder ihres Helden Guzman zu entreißen. RIM-Aktivisten schlagen mit Latten zurück und besprühen die Angreifer mit blauer Farbe. Eine Fotografin, RIM-Sympathisantin, lichtet Gesichter der Autonomen ab. Die kochen vor Wut, einer will ihr den Apparat entreißen. Bevor es dazu kommt, trifft ihn ein gezielter Stein am Kopf. Er wird von der Polizei verbunden. Andere Polizisten drängen in die Menge, überblicken das Chaos nicht und greifen sich einzelne Vermummte heraus. „Haut ab“, schallt es ihnen plötzlich einig entgegen, und „Wo wart ihr in Rostock?“

Am Hauptbahnhof gibt es die nächste Auseinandersetzung. Vom Rand her fliegen zwei Leuchtraketen hoch und einige Steine auf den Zug. Auch auf die Polizisten. Die trennen mit Schlagstöcken die Menge, prügeln einige blutig, verfrachten andere in Mannschaftswagen. Der taz-Fotograf Russel Liebman erhält, obwohl er den Presseausweis zückt, einen Schlag über den Kopf. Über den Lautsprecherwagen der Veranstalter heißt es „Ruhe bewahren“ und „weitergehen“. Relativ friedlich geht es jetzt über die Frankfurter Allee bis zum U-Bahnhof Samariterstraße. Hier soll eine Zwischenkundgebung im Gedenken des von Hooligans ermordeten Silvio Meier stattfinden. Die angekündigte Schweigeminute verhindern die RIM-Kommunisten. „Nie wieder Deutschland“, skandieren sie. Jetzt reicht es den Autonomen: „Wir lassen uns von euch linken Faschos nicht unsere Demo kaputthauen“, heißt es. Einige RIM-Leute werden in die Knie geprügelt, wieder fließt Blut, die Gewaltbereitschaft ist auf beiden Seiten hoch.

Zur finalen Auseinandersetzung mit der immer noch mit einem Transparent bewaffneten RIM kommt es um 15 Uhr an der Frankfurter Allee/Ecke Weichselstraße. Ein Renault wird als Barrikade in die Straßenmitte gerollt, die Scheiben splittern. Ein anderes Auto wird von Fotografen als Podest mißbraucht und eingebeult. Als Polizisten eingreifen, fliegt eine Bierdose in ihre Reihen. Wieder heißt es „Knüppel frei“. Ein älteres Ehepaar, zufällig in das Gemenge geraten, wird von Autonomen in einen Hof gerettet. Übersicht behält die Frau im Demonstrations-Bus: „Hört endlich auf, Sachen in die Leute zu schmeißen. Geht verantwortlich miteinander um“, ruft sie. Der Zug setzt sich wieder in Bewegung, vorbei an verrotteten Altbauhäusern und stillgelegten Industriebauten in die Lichtenberger Marktstraße. Hier, kurz vor Ende der Demonstration, bei einbrechender Dunkelheit und weitgehend unbobachtet von Unbeteiligten, will die Polizei endgültig das Vermummungsverbot durchsetzen. Die Einheiten 112, 113 und 242 formieren sich immer wieder und stürzen sich auf einzelne vermummte Demonstranten. Manchmal aber auch auf Unmaskierte. Sie schlagen Jugendliche zusammen, auch wenn sie schon am Boden liegen. In den Nachrichtenagenturen wird es später heißen, die Demonstration sei „friedlich“ verlaufen. 21 vorübergehende Festnahmen vermeldet die Polizei. Mindestens 20 Verletzte, darunter die RIM-Opfer, das „Kreuzberger Bündnis“. Anita Kugler