"Film-Material her, sonst gibt's Schläge"

■ Nach Filmarbeiten in Kurdistan: Hamburger ZDF-Kameraleute von türkischer Geheimpolizei an der Grenze festgehalten

: Hamburger ZDF-Kameraleute von türkischer Geheimpolizei an der Grenze festgehalten

Über die Ereignisse in Kurdistan zu berichten ist für viele Journalisten inzwischen mit Lebensgefahr verbunden. Diese Erfahrung mußten auch die beiden Hamburger ZDF-Kameraleute Michael Enger und Yavuz Fersoglu machen: Nach Dreharbeiten im Irak wurden sie von der türkischen Geheimpolizei verhaftet. Der Vorwurf: Die beiden seien „Kuriere“ der Kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Enger und Fersoglu waren im Auftrag des ZDF Mitte November nach Nordwest-Kurdistan gereist, um sich ein Bild über den vorangegangenen Krieg der Türkei gegen PKK-Guerilla im Irak zu machen. Vor Ort sprachen sie unter anderem mit Vertretern der Peschmerger, der irakischen Kurden, die an der Seite der Türkei-Militärs gegen die PKK gekämpft haben. Überraschend bekamen die beiden dann auch noch die Möglichkeit, ein Interview mit dem PKK-Kommandanten Osman Öcalan, dem Bruder des PKK-Chefs Apo Öcalan, zu führen.

Als die beiden Journalisten über die Grenzstation Habur in die Türkei zurückkehrten, wartete bereits die Geheimpolizei. Enger: „Schwerbewaffnete Rambos aus der nahegelegenen Stadt Sirnak“. Zwei Tage lang wurden sie in der Grenzstation festgehalten. Enger: „Wir mußten auf dem Fußboden schlafen, nur auf einer Decke.“

Was die Polizei interessierte: das Filmmaterial. Doch die beiden Filmer weigerten sich, den Polizisten Einblick zu gewähren. „Irgendwann war der Punkt gekommen, daß sie sagten: 'Jetzt zeigt ihr uns das Material, sonst gibt‘s Schläge.‘“ Forderungen, mit der deutschen Botschaft Kontakt aufnehmen zu dürfen, ignorierte die Geheimpolizei.

Dann schaltete sich plötzlich der Geheimdienst MIT ein. Enger: „Wir wurden mit verbundenen Augen an einen anderen Ort gefahren. Ich habe mich gewehrt, ich hatte aber keine Chance.“ Dort wurden die Journalisten in einen tristen Raum geführt, in einer Ecke standen Elektroschockgeräte. Vor allem Yavuz Fersoglu war stundenlangen Verhören ausgesetzt. Akribisch sichteten die Geheimdienstler das Filmmaterial der beiden ZDF- Mitarbeiter. Ihnen wurde erneut vorgeworfen, Kuriere der PKK zu sein. Fersoglu: „Dabei stellte sich heraus, daß der MIT akribisch über sämtliche Abschnitte unserer Reise Bescheid wußte.“

Die Geheimdienstler wollten wissen, was Osman Öcalan in dem Interview gesagt hatte. Denn dieses Band befand sich schon längst auf dem Weg in die Bundesrepublik. Spätestens jetzt war den beiden ZDF-Leuten der wahre Grund der Verhaftung offensichtlich. Enger: „Die Türkei will um jeden Preis verhindern, daß Berichte über den Krieg der Türkei im Irak ins Ausland gelangen.“

Denn schnell würde die Legende

1des erfolgreichen Feldzugs gegen die PKK zerstört und herauskommen, „daß 90 Prozent erstunken und erlogen sind“. Sie selbst hätten ein PKK-Lager im Irak aufgesucht, in dem sich 2000 Kämpfer — darunter 500 Frauen — befanden. „Die machten nicht den Einruck, geschlagen zu sein.“ Und auch die Peschmerger gaben offen zu, daß in dem Krieg wohl nur 150 PKK-

1Kämpfer gefallen sind, auf der Gegenseite aber 500 türkische Soldaten und über 1000 Peschmerger. Inzwischen kontrolliert die PKK viele Städte in der Grenzregion und weite Teile der Stadt Dyabakir.

Enger und Fersoglu hatten Glück: Gerade als sie dem Haftrichter vorgeführt wurden, schaltete sich die deutsche Botschaft ein. Die beiden wurden freigelassen und

1abgeschoben. Die beiden ZDF- Journalisten sind Ausländer, ihre türkischen Kollegen kommen oft nicht so glimpflich davon. Enger: „Mit uns sind sie ja sehr zurückhaltend umgegangen. In den letzten Monaten sind zwölf türkische Journalisten von den staatlichen Todesschwadronen ermordet worden.“ Peter Müller

Heute, Auslandsjournal, 21 Uhr, ZDF