„Was ändert sich für Asylbewerber?“

■ CDU und SPD haben sich auf einen Asyl-Kompromiß geeinigt. Wir fragten Bremer PolitikerInnen, was das in der Praxis bedeutet

Rolf Borttscheller, innenpolitischer Sprecher der CDU- Fraktion: Schlagartig wird sich überhaupt nichts ändern. Das neue Gesetz betrifft nicht die Asylbewerber, die bereits hier sind. Es wird aber mit Sicherheit die Schwemme der Asylbewerber aus Rumänien nicht mehr geben. In Rumänien, Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn findet politische Verfolgung nicht statt.

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Borttscheller

(Mann ohne Brille)

„Foto seite 17“

Aber auch dort werden ethnische Minderheiten verfolgt.

Wenn ich das richtig verstanden habe, soll der umgekehrte Nachweis, daß die Asylbewerber durch den Vortrag bestimmter Einzelheiten ihre persönliche Verfolgung belegen, weiter möglich sein. Aber die illegalen Aktionen, zum Beispiel, daß Rumänen über Polen eingeschleust werden, werden unterbunden.

Wie kann man denn etwas, das sowieso schon illegal war, per Gesetz unterbinden?

Für die Leute, die über Umwege nach Deutschland kommen, gilt in Zukunft die Drittlandregelung, die jetzt in dem Kompromiß ausgehandelt wurde. Also: wer über Frankreich nach Deutschland kommt, muß den Asylantrag in Frankreich stellen. Wer dort nicht anerkannt wird, wird hier auch nicht anerkannt.

Wir wollen das Asylrecht für wirklich Verfolgte nutzen. Und das sind maximal zehn Prozent der Asylbewerber.

Wie kommen Sie auf zehn Prozent?

Das ist ein Erfahrungswert. Meiner festen Überzeugung nach wird ein Asylbewerber, der wirklich Asylgründe hat, keine Schwierigkeiten haben.

Was ist zum Beispiel mit Frauen, die aus dem Iran fliehen, weil sie dort Repressalien ausgesetzt sind, etwa weil sie den Tschador nicht tragen wollen?

Repressalien bedeutet nicht Verfolgung. Wir Mitteleuropäer würden das vielleicht als Verfolgung betrachten. Aber ich weiß nicht, ob die Genfer Flüchtlingskonvention das auch so sieht.

Was tut ein Flüchtling, der abgelehnt wurde?

Die Rechtsweggarantie soll erhalten bleiben. Unter Umständen müssen die Leute den Prozeß dann eben vom Heimatland aus führen.

Wie lange wird es dauern, bis aus dem Kompromiß ein Gesetz geworden ist?

Das ist ein technischer Vorgang. Bei gutem Willen kann das Gesetz bis Ende Februar 1993 umgesetzt werden. Aber wenn die Leute jetzt meinen, der gordische Knoten sei zertrennt, den Zahn muß man ihnen ziehen. Im Stadtbild wird sich vor Herbst nächsten Jahres nichts ändern. Die Diskussion war ja in den letzten Monaten sehr dumpf. Es hieß immer: So geht es nicht weiter, Ihr Politiker müßt was zustande bringen.

Heißt das, die Politik hat sich dem Druck der Straße gebeugt?

Nein, es war die Einsicht, daß man das Asylrecht so wie bisher nicht beibehalten kann.

hier das foto von

der Redner-Frau

„für seite 17“

Irmgard Gaertner, Sozialsenatorin: Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die geeignet sind, weniger Leute ins Land kommen zu lassen und die Asylverfahren zu beschleunigen. Das ist erst einmal positiv.

Grundsätzlich neu ist die Drittländerregelung, die Absichtserklärung, die Einwanderung zu regeln und die Ankündigung eines Gesetzes für Bürgerkriegsflüchtlinge. Aber die Mittel sind zum Teil fragwürdig.

Welche?

Es ist von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen für Flüchtlinge, die aus sogenannten Drittländern einreisen, die Rede. Das betrifft Flüchtlinge aus anderen EG-Ländern oder aus Ländern, die die Flüchtlingskonvention anerkannt haben. Und ein ganz kritischer Punkt sind für mich die Länderlisten, die in Verhandlungen erstellt werden sollen. Darauf sollen all die Länder stehen, denen unterstellt wird, daß es dort keine Verfolgung gibt.

Welche Länder sind das?

Bis zum Beweis des Gegenteils würde ich sagen, die Schweiz und Österreich sind sichere Länder. Aber politische Verfolgung kann es überall geben.

Das fängt in der Schweiz mit den Kriegsdienstverweigerern an.

Richtig! Darum darf das individuelle Recht auf politisches Asyl ja auch nicht angetastet werden. Die Länderliste dreht aber die Beweislast um: Solange du uns nicht das Gegenteil beweist, gehen wir davon aus, daß du nicht verfolgt bist.

Welche Länder haben die Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt?

Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Wieso braucht man für diese Regelungen ein neues Gesetz?

Das ist eine gute Frage. Das erst vor kurzem verabschiedete Asylverfahrensgesetz wird ja erst im April richtig greifen.

Können Sie mit dem Kompromiß leben?

Damit können auch Sozialdemokraten leben. Bauchschmerzen habe ich nur bei der Drittländerregelunng und damit, daß die Leistungen für Asylbewerber erheblich gesenkt werden sollen, unter das Sozialhilfeniveau. Da ist das allerletzte Wort noch nicht gesprochen. Aber es besteht die Absicht, das schnell in Gesetzesform zu gießen, um zu zeigen: Der Staat handelt. Er läßt sich vom Druck der Straße nichts diktieren.

Hans Koschnick, Alt-Bürgermeister: Ich habe nichts dagegen, die Zuwanderung zu begrenzen. Aber den Mißbrauch können Sie sowieso nicht verhindern. Jedes Gesetz ist zu umgehen, das sieht man ja täglich, zum Beispiel beim Grundsatz „Eigentum verpflichtet“.

Wir müssen Asylanten schützen. Und Asylgründe sind für mich politische, wirtschaftliche, rassische und geschlechtsspezifische Gründe.

Was ist gut an dem Kompromiß?

hier das foto,

das schon

gerastert war,

Mann mit Brille

„foto seite 17“

Positiv finde ich, daß ein Gesetz für Bürgerkriegsflüchtlinge verabschiedet werden soll. Damit kommen die Kroaten und Bosnier aus den Zahlen raus.

Gut finde ich auch, daß es Absprachen und materielle Regelunngen zwischen den europäischen Ländern geben soll. Aber das hätte man alles auch ohne Verfassungsänderung regeln können! Dann hätten wir nicht so ein Geschrei darum machen müssen. Die Menschen kommen ja nicht wegen dem Artikel 16 zu uns, sondern weil sie bedroht sind.

Das heißt, man hätte das alles mit einem vernünftigen Asylverfahrensgesetz regeln können?

Wir warten ja gar nicht ab, bis es greift. Wir hätten manchen Ärger weniger, wenn wir das mit der Staatsangehörigkeit nicht so rigide gehandhabt hätten.

Was wird durch den ausgehandelten Kompromiß schlechter?

Zum Beispiel die Länderlisten. Wie erklären Sie ein Nachbarland zum Verfolgerland, ohne die gutnachbarlichen Beziehungen zu gefährden? Was ist mit Albanien? Rumänien? Der Türkei? Oder Nordirland?

Ich bin auch dagegen, die Leute hier fünf Jahre warten zu lassen, bis ein Bescheid kommt und sie dann nach Hause zu schicken. Aber ich muß überzeugendere Gründe hören, warum die Verfassung geändert werden soll. Fragen: Diemut Roether