Wie helfen? „Mit Essen, Anziehen und Watte!“

■ ExpertInnen streiten über Hilfe für vergewaltigte Bosnierinnen

Bonn (taz) – „Wie diesen Frauen zu helfen ist? Mit Essen, Anziehen und Watte! Verstehen Sie?“ Aida Daidzic hat Tränen in den Augen, vor Wut und Enttäuschung. Die Bosnierin ist Mitglied der Frauenorganisation „Festung der Liebe“, die vor Ausbruch des Krieges in ganz Jugoslawien bestand. Sie versuchte, als Sachverständige an der Anhörung zu den systematischen Vergewaltigungen in Bosnien-Herzegowina teilnehmen zu können. Vergebens. „Ich habe telefoniert, telefoniert, telefoniert“, ruft die Architektin, die bereits seit vier Jahren in Deutschland lebt. Aus technischen Gründen, „wegen der kurzfristigen Anberaumung der Anhörung“, seien Einladungen an Vertreterinnen des bosnischen Volkes nicht möglich gewesen, sagt die Vorsitzende der Anhörung, Edith Niehuis.

Während Aida Diadzic vor dem Sitzungssaal ihrem Zorn Luft macht, streiten drinnen die Expertinnen und Experten, wie den Zehntausenden von vergewaltigten bosnischen Frauen geholfen werden kann. Susanne Erdl von amnesty international etwa kann auf diese Frage nur „fragmentarisch“ antworten. Schließlich könne sie dem „Ermittlungsteam vor Ort“ nicht vorgreifen. Trotzdem könne ai eine Sonderberichterstatterin bei der UNO-Menschenrechtskommission fordern. Weitaus sinnvoller sind nach Ansicht von Rupert Neudeck, Vorsitzender des Notärztekomitees Cap Anamur, Zentren für vergewaltigte Mädchen und Frauen in Bosnien-Herzegowina. Hilfe müßte jetzt schnell geschehen, „denn wenn wir auf wissenschaftliches Material warten, sind alle Frauen tot“, sagt Neudeck. Cap Anamur hat bereits zwei Häuser in der Nähe Zagrebs gemietet, jetzt fehlten Ärztinnen und Krankenschwestern kroatischer oder bosnischer Herkunft, die vor allem die Sprache der mißhandelten Frauen sprächen. Solche Initiativen gegen die „Empfängniserzwingung“ als Kriegswaffe blieben schwierig, sagt Neudeck: Der Krieg tobt weiter, Kroatien sei „zurückhaltend“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen, und außerdem sollten die Medien zurückhaltender sein und nicht ständig versuchen, „die original vergewaltigte Frau vor die Kamera zu kriegen“.

Selbstverwaltete Zentren für Bosnierinnen sind auch für Nina Kadic von der kroatischen Frauengruppe „Treshnjewka“ momentan die einzige Soforthilfe. Sie und ihre Landsfrau Amelija Janovic sind die einzigen wirklichen „Insider“ im Kreise der 12köpfigen Sachverständigenschar. Frauenhäuser in Bosnien, Zentren in Kroatien, in denen Frauen auch nach der 10. Woche abtreiben könnten, die völkerrechtliche Ächtung der Massenvergewaltigungen als Kriegsverbrechen und eine eigene UNO- Truppe („UNIFEM“) – das sind die Forderungen von Nina Kadic. Doch die wirken fast zu leise angesichts der zwei wortgewaltigen Herren von den Vereinten Nationen, die ihr gegenübersitzen. Der eine, Roman Wieruszewski, Vertreter von Tadeusz Mazowiecki, UNO-Beauftragter für Menschenrechtsverletzungen im ehemaligen Jugoslawien, plädiert für eine Sicherheitszone unter UNO-Mandat. Sein Kollege von der Flüchtlingskommission (UNHCR), Jean- Noel Wetterwald, dagegen hält eine Sicherheitszone für problematisch. Dies hieße Grenzveränderung und damit Unterstützung der serbischen Ziele, interpretiert er. Eine Aufnahme des Tatbestandes „Vergewaltigung“ in die Genfer Flüchtlingskommission würde er – wieder im Gegensatz zum Vertreter der Menschenrechtskommission – begrüßen. Dringender sei aber im Moment der freie Zugang in die über zehn Konzentrationslager in Bosnien-Herzegowina. Während die UNO-Vertreter über das Für und Wider einer Sicherheitszone streiten, ist Aida Daidzic längst gegangen. Für sie bietet diese Anhörung keine Möglichkeit, um den geschändeten und gedemütigten Frauen ihres Volkes zu helfen. Myriam Schönecker