Hütte am Meer macht sich bemerkbar

■ Protest im Pott: 28 Busladungen Klöckneraner zogen gen Konzernzentrale Duisburg

6 Uhr gestern morgen, Klöckner-Hütte Bremen: ein 600 Meter langer Buskonvoi macht sich auf den Weg zur Autobahn. 1.200 Stahlkocher und Klöckner-MitarbeiterInnen wollen die „Silberburg“ in Duisburg erobern. Die „Silberburg“, das ist die Klöckner- Konzernzentrale, in der gestern die von den Arbeitnehmervertretern erzwungene Aufsichtsratssitzung der Klöckner Werke GmbH stattfand. Tagesordnung: Information der Belegschaftsvertretung über die Unternehmenspläne für die Bremer Hütte.

Die mögliche Kooperation mit dem niederländischen Stahlkonzern Hoogovens, die damit verbundene Stillegung der Bremer Hochöfen und des Stahlwerkes, der Tod der Bremer Hütte auf Raten — all das war in den letzten Wochen Spekulation: die Vorstände der Klöckner Stahl GmbH und des Mutterhauses hüllten sich nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit in Schweigen. Um den Ritualen Genüge zu tun, sollten nun die Arbeitnehmervertreteroffiziell informiert werden.

„Die sollen merken, daß wir stinksauer sind“ — rund ein Fünftel der Belegschaft der Hütte am Meer macht sich nun auf den Weg in den Kohlenpott. Da wurde so mancher Urlaubstag geopfert, im Werk werden zum Teil nur Reparatur-Schichten gefahren. Auch Vertreter der höheren Führungs

Mit großen Fäusten gegen den drohenden Schatten der Stahlkrise — Demo in DuisburgSteinberg

schichten sind dabei, Werksdirektoren, Betriebsleiter. Nicht wenige der Arbeiter waren bis kurz vor sechs auf Nachtschicht — um 22 Uhr müssen sie wieder ran.

9.30 Uhr: Die Silhouette des Ruhrgebietes wird sichtbar. Die 28 Busse rauschen an Zechen, Chemiewerken und der stillgelegten Thyssen-Hütte Oberhausen vor

bei. Ihren selbstgebauten Mini- Hochofen haben die Klöckneraner auf einen Tieflader verfrachtet. Desweiteren im Gepäck: 10.000 Solidaritäts-Unterschriften für den Erhalt der Hütte und eine Grußadresse von Klaus Wedemeier: „Der Senat steht Euch fest und solidarisch zur Seite.“

10.15 Uhr: Die Busse biegen hinterm Duisburger Hauptbahnhof in Richtung „Silberburg“ ab. Dort warten etwa 200 Mitarbeiter von Mannesmann, Thyssen und Krupp, die sich ebenfalls mit den Bremer Stahlarbeitern solidarisch erklären — weniger als erwartet. Mit einem gellenden Pfeifkonzert erschüttern die 1.400 DemonstrantInnen die Grundfeste der „Silberburg“. „Wir werden versuchen, den Vorstandsvorsitzenden von Rohr aus der Aufsichtsratssitzung hierher zu holen“, sagt einer vom Betriebsrat. Eine Delegation will hinein, doch an der Tür gibt es Schwierigkeiten. Die Leute werden unruhig, drängeln, „Laßt uns rein!“. Die Sicherheitsleute bekommen Angst um die Eingangstür aus Glas. Die Klöckneraner skandieren: „Holt ihn raus!!!“. Bernd Krüger, Konzernsprecher, sieht's gelassen: „In Rheinhausen ging's rauher zu...“

Halb zog es ihn, halb sank er hin: Hans-Christoph von Rohr, Klöckner-Chef, wühlt sich durch die Menge, Bremens Chef Jürgen Großmann im Schlepptau — der Bremer Verfechter eines Sanierungs-Alleinganges der Klöckner Stahl, der Duisburger entschiedener Gegner. Von Rohr–s Rede vor seinen Mitarbeitern aus dem hohen Norden: „Wir haben Verständnis... Sie können davon ausgehen, daß niemand leichtfertig...Wir werden uns sehr kritischen Fragen stellen und eingehend be

raten...Es ist uns bewußt, daß es hier um Arbeitsplätze und Menschen geht.“ Und er selber, der in 20 Tagen 25jähriges Dienstjubiläum feiere, habe doch bei Klöckner Bremen angefangen, vergessen werde da schon niemand. „Verarschen können wir uns alleine!“ ruft einer dazwischen. Immerhin ein Lippenbekenntnis von von Rohr: „Ziel ist es, den Stahlstandort Bremen zu erhalten.“ Schließlich wird eine kleine Delegation vertraulich in die Sitzung des Aufsichtsrates gebeten.

Dort gibt es dann Auskunft wie gehabt: Es werde über mehrere Varianten verhandelt, vor Mitte Januar sei nichts Konkretes zu erfahren. „Es wurde bestätigt, daß auch über die von uns so befürchtete Variante nachgedacht wird“, sagt draußen Siegfried Bleicher, IG-Metall-Vorstandsmitglied und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, „der Kampf muß jetzt erst richtig beginnen!“ Die Unterstützung der Gesamt-IG- Metall macht er deutlich: „Für uns kommt kein Konzept in Frage, das den Tod auf Raten bedeutet.“ An Klöckners Hauptgläubiger appelliert er: „Die Deutsche Bank hat hier jahrelang gute Geschäfte gemacht — jetzt ist es Zeit, Verantwortung zu übernehmen.“

Im Dezember wird der derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende der Klöckner Werke AG von Kajo Neukirchen abgelöst — ein Mann mit dem Segen der Deutschen Bank. Am 15. Januar ist wieder Aufsichtsrat — und dann könnte eine Stimme entscheidend sein: Sollte es zum Patt zwischen den jeweils fünf Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern kommen, wäre der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf das Zünglein an der Waage. Susanne Kaiser