■ Aus Asylbewerbern werden illegale Immigranten
: Der Unregierbarkeit entgegen

Der ausgehandelte Kompromiß in der Asylfrage ist eine Katastrophe. Er wird kaum zu einer quantitativen Veränderung der Zuwanderung in die Bundesrepublik führen, allerhöchstens zu einer qualitativen. Was bis jetzt mehr oder weniger offen gemacht wurde, nämlich einzureisen, um Asyl nachzusuchen und dann alles zu tun, um hier zu bleiben, wird sich nun in die Grauzonen der Illegalität verschieben. Es sind zwar nicht die Massen, die die Bonner Politiker immer wieder unterstellen. Aber es sind viele.

Die Verhältnisse in Deutschland werden sich nun denen in Italien angleichen, das weder eine geregelte Einwanderung noch ein ausgefeiltes Asylrecht kennt. In den letzten zwölf Jahren sind, geschätzt, über eine Million Menschen vor allem aus Afrika illegal eingewandert.

Ab und zu erläßt die italienische Regierung ein Dekret, in dem ihnen die Legalisierung versprochen wird, wenn sie sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt behördlich melden. Das Problem der Unterbringung ist für die meisten unlösbar. Nicht zuletzt die Bilder von Afrikanern, die in Neubauten bei offenem Feuer versuchten, in irgendeiner Weise zu „wohnen“, heizten die sozialen Konflikte in den italienischen Städten an und trugen mit zum Aufkeimen von Fremdenhaß in einem Land bei, das einen solchen bislang kaum gekannt hatte. Der Asylbeschluß vom Sonntag wird dasselbe Resultat bringen. Jeder, dem es gelingt, nach Deutschland zu kommen, wäre schön blöd, sich bei den Behörden zu melden. Das wird eine blühende Industrie von Profiteuren an der mißlichen Lage dieser Ärmsten der Armen hervorbringen.

Bisher hatten die Verwaltungen immerhin die Möglichkeit, sich zu den Asylbewerbern nicht nur polizeilich, sondern auch sozialpolitisch zu verhalten, man konnte planen, Integrations- und Rehabilitierungs- oder was auch immer für Programme entwerfen. Zugegeben, Finanzknappheit und große Zahl der Bewerber, zumindest im Westen der Republik, haben diese Möglichkeiten in der letzten Zeit erheblich eingeengt. Mit den vorgeschlagenen Änderungen allerdings wird selbst das nicht mehr gehen, denn offiziell gibt es diese illegal Eingewanderten nicht. Es spricht Bände, daß die SPD-Verhandlungskommission auf das zuvor groß herausgestrichene Einwanderungsgesetz, das wenigstens partiell ein konstruktiver Ansatz für eine Neuordnung des Gesamtkomplexes Asyl, Einwanderung, Integration von Fremden hätte sein können, sang- und klanglos verzichtet hat – und diesen Verzicht noch nicht einmal einer Erwähnung wert befand. Die Bundesrepublik wird mit den Beschlüssen vom Sonntag nicht handlungsfähiger werden, sondern noch ein Stück unregierbarer. Ulrich Hausmann

Journalist, lebt in Moersch bei Frankfurt