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Sind Konfliktforscher konfliktunfähig?

Das Berliner Institut der namhaften „Berghof Stiftung für Konfliktforschung“ soll zum Jahresende dichtgemacht und umgewandelt werden/ Uli Albrecht legt die Leitung nieder  ■ Aus Berlin Ute Scheub

Sind Friedens- und Konfliktforscher, wenn es um ihren persönlichen Krempel geht, genauso konfliktunfähig wie stinknormale Menschen? Das Gerangel hinter den Kulissen der renommierten „Berghof Stiftung für Konfliktforschung“ liefert Anhaltspunkte für diesen Verdacht.

Ihr Berliner Institut soll nämlich zum Jahresende dichtgemacht und dann mit neuen Leuten und mit einem neuen Leiter – höchstwahrscheinlich männlichen Geschlechts– zu einem Ost-West-Begegnungszentrum umgewandelt werden. So hat es jedenfalls vor einiger Zeit der Stiftungsrat beschlossen. Der Gründer der Stiftung, der Chemieprofessor Georg Zundel, und der Stiftungsratsvorsitzende, der Friedensforscher Dieter Senghaas, begründen das mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Dieser erfordere gerade von der Zunft der Friedensforscher ein völlig anderes Denken und die Entwicklung neuer „konstruktiver Konfliktbearbeitungsperspektiven“.

Das klänge ja durchaus einleuchtend, wenn es sich nicht just um die Berghof Stiftung handeln würde. Mehr als alle anderen Friedensforschungsinstitutionen der Bundesrepublik hat sie nämlich bei ihrer Projektförderung von jeher das wissenschaftliche und politische Querdenken zu stärken versucht, also die unkonventionellen, undogmatischen, subjektiven und manchmal auch die feministischen Ansätze. Ergo kann die Weltgeschichte alleine nicht erklären, warum das für seine offenen Strukturen berühmte Berliner Institut und seine rund fünfzehn MitarbeiterInnen nicht unter neuen Schwerpunkten weitermachen dürfen. Vielmehr scheint es in den vergangenen Monaten innerhalb der Mitarbeiterschaft sowie zwischen Stiftungsrat und MitarbeiterInnen genau an jenen eingeklagten „konstruktiven Konfliktbearbeitungsperspektiven“ gefehlt zu haben.

Das Institut ist übrigens keineswegs deckungsgleich mit der 1971 gegründeten Stiftung. Als Ableger dazu zählen auch die Münchner „Studiengesellschaft für Friedensforschung“ und die „Friedenspädagogische Forschungsstelle Tübingen“. Der ebenfalls aus Tübingen stammende Gründer Georg Zundel, Enkel des Industriellen Robert Bosch und Sohn einer seiner rebellierenden Töchter, die sich bei einem Streik 1905 auf die Seite der Belegschaft gestellt hatten, wollte einen Ort schaffen, wo Natur- und Gesellschaftswissenschaften in praktischem antimilitaristischem Sinne zusammenwirken können. Das ging in Berlin unter der Leitung des Friedensforschers Uli Albrecht auch lange Jahre gut– bis im letzten Jahr verschiedene mehr oder weniger banale Konflikte eskalierten. Anfang 1992 nominierte Zundel deshalb eine „fact finding mission“, die – Friedensforschung einmal ganz praktisch – die Ursachen für den Unfrieden im Haus ergründen sollte. Ihr Bericht war maßgeblich für die einige Monate später verfügte Institutsschließung – eine Reaktion, die in ihrer Heftigkeit wiederum wenig an „konstruktive Konfliktbearbeitungsperspektiven“ erinnert.

Drei Konflikte erwähnten die „fact finder“ in ihrem Bericht an den Stiftungsrat: erstens das Kompetenzgerangel zwischen dem Geschäftsführer und einer Sachbearbeiterin. Zweitens den Streit um das angemessene Gehalt eines Mitarbeiters. Und drittens die Auseinandersetzung um das Projekt „Frauen in der Bundeswehr“, das im Streit zwischen Stiftungsrat, Geschäftsführung und Projektbeteiligten ein unfreiwilliges Ende fand. Astrid Albrecht-Heide, eine der wenigen Konfliktforscherinnen mit explizit feministischem Ansatz, warf dem ausschließlich männlichen Stiftungsrat damals „einen Akt struktureller Gewalt“ vor. Die Institutsschließung, so glaubt sie auch jetzt, müsse als eine „archaische Form von Geschlechterkampf“ gesehen werden. Die Männer im Stiftungsrat hätten es mit einem „asymmetrischen Konflikt“ zu tun, seien aber anscheinend nicht fähig, diesen als Herrschaftskonflikt zu verstehen. Konfliktforscher und „fact finder“ Reiner Steinweg sieht das ganz anders: Die Stiftung habe feministische Ansätze immer für wichtig befunden und werde sie „auch weiterhin“ fördern. Daß die Quotierung im Stiftungsrat fehle, sei einzig darauf zurückzuführen, daß es bei seiner Gründung vor 21 Jahren keine kompetente Frau gegeben habe. Das aber hätte der Stifter längst nachholen können, bemerkt Institutsleiter Uli Albrecht, der zum Ende dieses Jahres resigniert seinen Posten niederlegt. „Ich sehe wenig Sinn darin, weiterzumachen“, so der Ehemann von Astrid Albrecht-Heide. Die Projekte mit feministischem Ansatz würden keineswegs weitergefördert, und auch seine eigenen nicht. Ein halbes Kompliment sei hingegen der von verschiedener Seite geäußerte Vorwurf, er habe das Institut „zu wenig autoritär“ geleitet. Seine englische Kollegin Mary Caldor habe sich darüber „ausgeschüttelt vor Lachen“.

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