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Der Krieg gegen die Frauen von Bosnien

■ Frauen wollen Hilfe für die Opfer von Massenvergewaltigungen beschaffen

Kreuzberg. Im Vortragsraum des Vereines „Süd-Ost Europa Kultur“ drängen sich am Mittwoch abend etwa 120 Frauen. „Wie schön wäre es, wenn uns ein anderes Thema als die Vergewaltigungslager in Bosnien-Herzegowina zusammengeführt hätte“, eröffnet Mitorganisatorin Bosijlka Schedlich die Veranstaltung.

Die nächsten dreieinhalb Stunden sind schrecklich. Nina Kadic und Zeljka Mrkic von der Frauengruppe Tresnjevka berichten über ihre Arbeit im Krisenzentrum für vergewaltigte Frauen in Zagreb. Hunderte von Frauen haben sie befragt. Sie haben tiefe Schatten unter den Augen. Ihre Topographie des Terrors: 50 Lager gibt es in den eroberten Gebieten. Mindestens 50.000 von Tschetniks oder der Organisation „Weißer Adler“ vergewaltigte Frauen befinden sich in ihnen. Unzählige Mädchen unter 15 Jahren sind an den Folgen der organisierten Massenvergewaltigungen gestorben. Über 13.000 Frauen sind bereits schwanger geworden. In den Lagern werden sie festgehalten, bis Abtreibungen nicht mehr möglich sind. „Die Vergewaltigungen sind so schrecklich, daß viele Frauen wahnsinnig geworden sind oder dauernde physische Schäden erlitten haben.“ Die überwiegende Zahl der nach Kroatien geflüchteten Frauen aber verdrängen, was ihnen angetan wurde. „Innerlich sind sie tot“, sagt Zeljika Mrkic, „bis zur Geburt ignorieren sie die Schwangerschaft.“ Die zwangsgezeugten Kinder werden oft von katholischen oder moslemischen Waisenhäusern aufgenommen und dort orthodox erzogen. Aber es gäbe auch Hinweise über Menschenhandel nach Westeuropa.

„In diesem Krieg sind die Frauen Objekte“, sagen sie. Die systematische Zerstörung von Frauenkörpern und -seelen sei eine Waffe der serbischen Okkupanten gegen die bosnischen und kroatischen Männer. Von Frauen geleitete Zentren müßten daher geschaffen und bewegliche Frauenkliniken in den besetzten Gebieten unter dem Schutz der UNO gegründet werden. Vergewaltigungen müßten endlich als Kriegsverbrechen anerkannt werden.

„Und wie befreien wir die Frauen aus den Lagern?“ fragt Moderatorin Eva Quistorp, Europaabgeordnete der Grünen. Sie plädierte vehement für eine militärische Intervention als letztes Mittel. Eine Idee, die die Zagreber Frauen ablehnen, weil die Spirale der Gewalt dadurch nur weitergedreht würde. Die weitere Diskussion geht im Chaos unter. Denn zur Veranstaltung gekommen sind nicht nur Frauen, die etwas über das bosnische und kroatische Leid erfahren wollen, sondern auch Serbinnen und Kroatinnen, die den Veranstalterinnen „Einäugigkeit“ vorwerfen. Sie kritisieren, daß die angekündigte Vertreterin des „SOS-Telefons für Frauen und Kriegsopfer“ in Belgrad, Lepa Mladenovic, nicht auf dem Podium sitzt – Visumschwierigkeiten, argumentiert das Süd-Ost-Zentrum – und daß mit keinem Wort die Vergewaltigungen serbischer Frauen durch kroatische Männer erwähnt werden. Sie geschähen nicht systematisch, wird ihnen entgegengehalten, „und darin liegt der Unterschied“. Die anwesenden deutschen Frauen erhalten durch diese aggressiv geführte Debatte eine Ahnung von den Schwierigkeiten autonomer Frauenprojekte in Ex- Jugoslawien. Denn vor allem dort tobt der Streit, ob die Vergewaltigungen Instrument des systematischen „Säuberungskrieges“ gegen die Bosnierinnen seien oder Willkürakte im Kampf aller ethnischen Gruppen gegeneinander. aku

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