Hitler als Traditionsmitglied

Die „Deutsche Alternative“ entwickelte sich zur größten Neonazi-Gruppierung in den neuen Ländern/ Doch schon existieren Auffangstationen in einigen Bundesländern  ■ Von W. Gast und B. Siegler

Vor einem Verbot hatten die DA-Führer Hübner, Dannenberg, Wolter und Koswig keine Angst. „Parteien kann man verbieten, aber Menschen nicht“, frohlockte Hübner bei jedem Kameradschaftsabend. Bereits seit Wochen laufen hinter den Kulissen Vorbereitungen für Auffanggruppierungen. So stehen in Dresden die „Sächsische Nationale Liste“, in Berlin die „Nationale Alternative“ und der vor kurzem in Mühlhausen gegründete „Nationale Aktivistenbund Thüringen“ bereit.

Unmittelbar nach der von Bundesinnenminister Rudolf Seiters erlassenen Verbotsverfügung wurden gestern am frühen Morgen bundesweit zahlreiche Wohnungen und Geschäftsräume von Funktionären der DA durchsucht, darunter auch die des DA-Chefs Frank Hübner in Cottbus. In Brandenburg, dem Schwerpunkt der DA, galt die Aktion den Räumen von 14 führenden DA-Mitgliedern. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Unter den sichergestellten Gegenständen fanden sich Berge von NS- Propagandamaterial, ein Gasrevolver, Hakenkreuzabzeichen, Fahnen, Notiz- und Adreßbücher. Gefunden wurden auch die NS- Zeit verherrlichende Videos, Kassetten mit Marschmusik und selbstverfaßte Gedichte von DA- Mitgliedern. Sichergestellt wurden weiter ein Konto mit 630 DM und sieben Postfächer. Die Auswertung eines beschlagnahmten Computers soll jetzt weitere Aufschlüsse über die organisatorische Struktur der DA liefern.

Im Mai 1989 hatten enttäuschte FAP-Anhänger in Bremen die DA als „Die nationale Protestpartei“ gegründet. Im Parteiprogramm fordern sie „deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeiter“ und „Meinungsfreiheit für alle politischen Gruppen“. Statt platt „Ausländer raus“ plädieren sie für eine „humane, aber konsequente Ausländerrückführung“. Ein eher moderat zu nennender Ton ist Programm. Galt es doch, ein Statut zu formulieren, das „so gemäßigt“ sein sollte, daß „eine Registrierung als legale politische Partei in Mitteldeutschland möglich“ sei. So schrieb es der inzwischen verstorbene Neonazi-Führer Michael Kühnen im Januar 1990 in seinem „Arbeitsplan Ost“.

Sein Ziel war es, neben einer „stahlharten Kadertruppe“, der von ihm gegründeten „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF), einen legalen Arm der Bewegung zu installieren: „Es besteht Übereinstimmung darüber, daß dies unter dem Namen ,Deutsche Alternative‘ geschehen soll“, heißt es in dem Arbeitsplan weiter. Angesichts der Ehrenmitglieder Adolf Hitler, Rudolf Heß, Ernst Röhm, Joseph Goebbels und dem führenden niederländischen Nazi-Aktivisten Et Wolsink gibt es aber keinen Zweifel, in welcher Tradition sich die DA versteht.

In der Gründungsphase, 1990, konnte sich Kühnen auf „vier Kameraden aus Dresden und fünf Kameraden aus Cottbus“ stützen. Zusammen mit dem Neonazi Heinz Reisz aus dem hessischen Langen hatten sie die Strategie für den Rekrutierungsfeldzug im Osten ausgearbeitet. Neben den in der DDR bereits einschlägig vorbestraften Neonazis Karsten Wolter und Rene Koswig zog insbesondere der von der Bundesregierung 1985 freigekaufte „politische Häftling“ Frank Hübner die Fäden. Der heute 27jährige Hübner war eine Zeitlang bei Michael Kühnen in Langen, bevor er kurz nach dem Fall der Mauer in seine Heimatstadt Cottbus zurückkehrte, um dort die DA aufzubauen. Zusammen mit Roman Dannenberg aus Hoyerswerda, zuvor bayerischer Landtagskandidat der NPD und heute sächsischer DA-Landesvorsitzender, steht Hübner im Rang des DA-Bundesvorsitzenden an der Spitze der DA.

Angesichts der ostdominierten Führung verließen vor allem bayerische DA-Aktivisten im Oktober 1991 die Partei und sammelten sich im „Nationalen Block“. Diese Abspaltung unterstrich den Anspruch der DA, führende Kraft in den neuen Ländern zu sein. Mit etwa 200 Mitgliedern hat sie die SPD in Cottbus an Mitgliederstärke schon lange überrundet, ihre Gesamtmitgliederzahl wird auf etwa 1.000 geschätzt. Ihre Stärke bezieht die DA jedoch aus ihrer Zugehörigkeit zur GdNF und der guten Zusammenarbeit mit deren Kadern. Nahezu alle großen Neonazi-Aufmärsche im vereinten Deutschland fanden in Kooperation der DA mit der Hamburger „Nationalen Liste“, der Dresdner „Nationalen Offensive“, dem „Deutschen Hessen“, der Thüringer „Deutsch Nationalen Partei“ und der Berliner „Nationalen Alternative“ sowie der Rockerformation „Wotans Volk“ statt. Beste Beziehungen verfügt die DA auch zu der von enttäuschten NPD-, Rep- und DVU-Anhängern gegründeten „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ um den Europaabgeordneten Harald Neubauer. Im Juli 1992 unterhielt man sich im brandenburgischen Groß Gaglow über ein „gemeinsames Vorgehen in der Zukunft“.

Während DA-Aktivisten sich unter Führung der Berliner „Nationalen Alternative“ bei Wehrsportübungen trainieren, derzeit an Einsatzplänen zur Gründung von „Mobilen Einsatzkommandos-Ost“ arbeiten und Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) der DA bei den Pogromen in Cottbus eine „steuernde Funktion“ zuschreibt, stellt sich die DA nach außen hin als „eine im Parteienregister eingetragene nationalistische wählbare Bundespartei“ dar. „Wir lehnen jede Form von Gewalt ab“, betont Sachsens DA- Vorsitzender Roman Dannenberg, der wenige Wochen zuvor noch frohlockt hatte, Rostock werde „nur der Anfang sein“. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe zeigte sich von der Diskussionsbereitschaft von DA- Führer Frank Hübner regelrecht beeindruckt. Er ermöglichte dem DA-Chef auf einer Bürgerversammlung in Cottbus Anfang September einen großen Auftritt und vereinbarte per Handschlag weitere Treffen und Gespräche.

Daß die DA in ihren Publikationen übelste rassistische und antisemitische Hetze betreibt, störte Stolpe offenbar nicht. So preisen sie die Tatkraft des SS-Führers und Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich als „Vorbild“, feiern „doitsche Musik“ von Skinhead-Bands als Gegenpol zum „Nigger- und Haschbrüdergejaule“.

Neben 250 Cottbuser Polizisten waren gestern etwa 70 Beamte aus dem Brandenburger Landeskriminalamt und aus polizeilichen Sondereinheiten im Einsatz. Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) bedankte sich auf einer Pressekonferenz bei Bundesinnenminister Seiters, der zwei Wochen nach dem Verbot der Nationalistischen Front (NF) „konsequent gehandelt“ und nun eine weitere neonazistische Organisation mit Stützpunkt in Brandenburg verboten habe. Den Erfolg der Aktion wollte der sozialdemokratische Politiker wenigstens teilweise auf seinem Konto verbuchen — schließlich sei die Verbotsverfügung auf das Engagement der Potsdamer Landesregierung zurückzuführen, die auf der Innenministerkonferenz der Länder ein Verbot rechtsextremistischer Gruppen gefordert habe.