"Auf einiges verzichten"

■ Der Hamburger VSA Verlag ist in Schwierigkeiten: Kaum einer will noch Theorie und Geschichte der Arbeiterbewegung studieren

: Kaum einer will noch Theorie und Geschichte der Arbeiterbewegung studieren

Was liest die Linke? Isabel Allende, die Strukturalisten und Asterix vielleicht. Jedenfalls keine Studien zur Arbeiterbewegung mehr. Doch dies hat nur mittelbar und sozusagen dem Namen nach zur wirtschaftlichen Krise geführt, die es jetzt im Hamburger „Verlag zum Studium der Arbeiterbewegung“, besser bekannt als VSA Verlag, abzuwenden galt. Bundesweit zu beklagende Umsatzrückgänge in der Buchbranche machten sich auch für die insgesamt acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des selbstverwalteten Betriebes in Bahrenfeld bemerkbar, der sich in den letzten Jahren auch mit Reisebüchern und Reihen wie den Städteführern „zu Fuß“ ein ökonomisches Standbein geschaffen hat.

Auch eigene Fehlentscheidungen und die Schwierigkeit, das „Ausmaß der ganzen Problematik richtig einzuschätzen“, so VSA-Geschäftsführer Gerd Siebecke, hätten dazu geführt, daß sich der Verlag Anfang November in akuten Zahlungsschwierigkeiten befand. Eine Überschuldung bestand nicht, und dank der Zahlungsverlängerungen, die die Hauptzulieferer des Verlags einräumten, konnte die „Sanierungsphase“ beginnen. Das entsprechende Sanierungskonzept ist, und das ist es immer, hart für die allermeisten Beteiligten. Und natürlich gebe es auch, so räumt der Geschäftsführer ein, innerhalb der Belegschaft „unterschiedliche Bewertungen für Gründe und Konsequenzen“ der Krise.

Die Kündigungen, die es gab, sollen mittelfristig, so Siebecke, durch „sukzessive Wiedereinstellung“ aufgefangen werden. Zwei der Angestellten haben sich bereiterklärt, freiwilligen Lohnverzicht zu leisten. Entsprechend reduziert wurde jetzt auch der Umfang für das VSA-Frühjahrsprogramm 1993: Im Sektor Reisebuch wird es sechs statt acht bis zehn Neuerscheinungen pro Halbjahr geben, der Sachbuch-Bereich, bisher mit zehn bis zwölf neuen Titeln vertreten, wird im nächsten Frühjahr auf vier Neuerscheinungen reduziert. Verlegerisch abgekoppelt wird auch die bisher vom VSA Verlag herausgegebene Monatszeitschrift Sozialismus.

Hervorgegangen ist der 1971 in Berlin gegründete VSA Verlag, der acht Jahre später in die Hansestadt umsiedelte, aus der Arbeit sozialistischer Hochschulgruppen. Das

1Sachbuchprogramm umfaßt heute zahlreiche Publikationen zu gewerkschaftlicher Arbeit, Frauenförderung, Gesellschaftstheorie und Hamburg-Geschichte. Auf „einige Titel“, so Gerd Siebecke, „müssen wir sicher verzichten“. Eine „Konzentration auf die Stärken“ und das Profil des Verlags sei jedoch vielleicht gerade in einer Zeit möglich, wo, wie im Augenblick, „die Karten neu gemischt werden“.

Erst einige Wochen ist es her, daß der Mitte der achtziger Jahre aus dem linken Buntbuch-Verlag hervorgegangene Verlag am Galgenberg und der Rasch und Röhring Verlag ihre Fusion verkündeten, um mit diesem Schritt ihrerseits Umsatzschwierigkeiten aufzufangen und mit einem konzentrierteren Profil die Krise zu meistern. Mechthild Bausch