Mitglied im Windelclub

■ Shopping in Amerika – eine Angelegenheit für knallharte Rabatt- und Rubbel-Profis/ Zum Autokauf gibt's die Flugreise nach Hawaii umsonst

Seit gestern bin ich Mitglied im Diaper Club.

Wenn Sie sich darunter nichts vorstellen können, geht es Ihnen wie mir – bis eben gestern. Völlig unbedarft hatte ich mir im Drogeriemarkt an der 4. Straße eine Großpackung Windeln geangelt, natürlich nicht ohne von der zur Neige gehenden Packung neben dem Wickeltisch unseres Sohnes Moritz den Coupon abzuschneiden, auf den beim Nachfolge-Jumbopack ein Rabatt von 1,50 Dollar gewährt wird.

Den Coupon an der Kasse stolz hochhaltend, wähnte ich mich schon mit allen Wassern des kanadischen Rabatt-Shoppings gewaschen. Denkste! Wieder entpuppte ich mich als blutiger Anfänger. Die freundliche Dame an der Kasse fragte mich auf ihre fürsorgliche, mich aber irgendwie demütigende Art, ob ich denn schon dem Diaper Club beigetreten sei. Verwirrt und etwas betreten schüttelte ich den Kopf. Windelverein? Nein, nie gehört!

Der Vereinseintritt erfolgte prompt und unbürokratisch. Ich erhielt eine Mitgliedskarte, auf der zur Honorierung meines Kaufs zwei Aufkleber verewigt wurden. Diese Karte muß ich von nun an bei jedem künftigen Windelkauf vorlegen. Sobald ich die erforderliche Zahl von Aufklebern gesammelt habe, bekomme ich in meinem Drogeriemarkt 30 Windeln gratis.

Selbstverständlich lasse ich mir längst in meiner Bäckerei um die Ecke den Erwerb jedes Brötchens und jedes Jelly Donuts auf einer Clubkarte quittieren, denn sobald ich 15 Stempel beieinander habe, gibt es eine Leckerei gratis. Meine Geldbörse liegt schwer in der Hosentasche, seit ich Clubausweise, Kaufhaus-Plastikkarten und Coupons dutzendweise mit mir herumtrage.

Wer in Kanada oder den Vereinigten Staaten eine Ware zum vollen Preis erwirbt, muß entweder wie Dagobert Duck in Dollars baden oder aber schlicht zu faul sein, Coupons zu sammeln, Anzeigen auszuschneiden, Werbeplakate zu lesen – oder zu rubbeln.

Natürlich wurden wir sofort Stammkunden im Book Warehouse, als dort Rubbelkarten verteilt wurden, auf denen man sich den Prozentsatz, der einem an der Kasse erlassen wird, mit dem Fingernagel freikratzen muß. 10 Prozent sind eine enttäuschende Ausbeute, der echte Sparprofi schielt auf 25 Prozent Rubbelrabatt. Unseren früheren Buchladen haben wir seither nie wieder betreten. Daß es dort nur den Kaffee gratis gab, erscheint uns im nachhinein als der reine Nepp.

Das simpelste Prinzip bleibt indes der Einkauf nach dem eingängigen Slogan „Buy one, get one free!“ Wären Sie etwa so dumm, nur einen Hamburger zu kaufen, wenn sie für dasselbe Geld zweimal wabbelig zubeißen können? Lieber verrenke ich mir den Magen, als daß ich McDonald's was schenke.

Vorbei sind die Zeiten, als ich Anzeigenblätter und Werbeprospekte, die sogenannte Junk Mail, die jeden Briefkasten verstopft, entweder sofort achtlos weggeworfen oder zuvor unserem windeltragenden Moritz zur weiteren Bearbeitung überlassen habe. Mit Stadtplan, Schere und spitzem Bleistift fahnde ich nun Seite für Seite nach ultimativen Super-Sonderangeboten.

Das kostet Zeit, aber zahlt sich aus. Wie wüßte ich sonst, daß ein gewisser Canadian Superstore bei einem Großeinkauf von über 200 Dollar einen Rabatt von 30 Dollar gewährt?

Ein Autohändler in der Vorstadt versüßte den Erwerb eines beliebigen Neuwagens mit einer Flugreise für zwei nach Hawaii. Ein derartiges Flieg-und-Spar-Angebot begegnet einem auch nicht alle Tage, sagte ich mir. Verblendet von der Aussicht auf eine Gratis-Flugreise verfügt unser Zweieinhalb-Personen-Haushalt nun endlich über einen Zweitwagen.

Doch mittlerweile fürchte ich, daß mich der zweiwöchige Abstecher nach Honolulu teuer zu stehen kommt. Vielleicht ist nachher mein Windelclub schon aufgelöst – so etwas passiert schneller, als man denkt, in dieser Gegend – und dann stehe ich mit meiner halbvollen Clubkarte wieder wie ein blutiger Anfänger da und würde mich windelweich ärgern – oder Moritz langsam in die Kunst einweisen, seine Geschäfte, die zum Glück nichts mit Shopping zu tun haben, auf dem Töpfchen zu verrichten. Olaf Krohn