Oh, Du seliges Verpackungsglück!

■ Die umweltfreundlichen Umverpackungen haben am Weihnachts-Geschenkemarkt wenig Chancen

Oh, Du seliges Verpackungsglück!

Die umweltfreundlichen Umverpackungen haben am Weihnachts-Geschenkemarkt wenig Chancen

„Natürlich, manchmal haben die Kunden verrückte Wünsche!“ Die Verkäuferin bei Hortens Verpackungs-Service hat da schon einiges erlebt. „Aber das darf ich nicht einfach so erzählen.“ Diskret hüllt sie sich in vielsagendes Schweigen. „Wir haben viele Stammkunden, denen wir verpflichtet sind. Morgens bringen, abends holen, so arbeiten wir.“ Ihr Blick wandert unter den Ladentisch und verrät, wo „Verrücktes“ gelagert wird. Neugierige blitzen bei der Verpackungskünstlerin ab.

Auch sonst ist auf diese Frau Verlaß. Sie kennt den Reiz einer gekonnten Verpackung — und der liegt im Verborgenen! Nach diesem Wissen handelt sie. Meisterin der Diskretion schmiegt sie Klarsichtfolie knisternd dicht um silbrig—weißes Engelhaar. Das erhöht die Spannung und das Entzücken. Fast einsehbar, und doch nur Ahnung, steigert sich der Schenkwert — unabhängig vom schnöden Inhalt, dem Geschenk.

Das Deko-Element on top ersetzt die Glückwunschkarte: In Miniatur und Plastik neigt der Bräutigam sich zu der Braut. Die Illusion wird als Zugabe mitverschenkt. Dafür ist der Preis noch billig: Zwanzig Mark für diese Umverpackung ist nicht viel.

Weihnachts-Bastel-Stimmung schwappt vom Tresen auf die Kundschaft. Vorfreudig ist die Atmosphäre. Wenn die Umhüllung gut wird, strahlen alle: Das Personal, die Kundin, selbst die Letzte in der Warteschlange ist festlich guten Mutes: „Hier kann man etwas lernen, ich sollte mir einen Tag frei nehmen und bei Ihnen zuschauen!“ Zu gucken hätte sie: 40 Packungen am Tag sind Schnitt während der Saison.

Auch am Verpackungsbüdchen in der Katharinenpassage sammeln sich die ÄsthetInnen des schönen Scheins. Der Mythos vom verpackungsfaulen Mann zerschlägt sich hier. Die Besitzerin, Pionierin der Bremer Verpackungszene und Inhaberin der ersten Bremer Verpackungs—Bude muß es wissen. Seit acht Jahren wird hier gewickelt, gebunden und verziert. Ihr Expertinnen-Erfahrungswert: „Frauen und Männer sind halbe- halbe vertreten.“

Frei von Gewissensbissen sind nicht alle Kundinnen dieser Dienstleistungsbranche. Zum Beispiel die Beschäftigungstherapeutin. „Mindestens einmal im Jahr“ kommt sie. Heute hat sie „extra zwei Stunden freigenommen“. „Ich bin sehr kreativ“, rechtfertigt sie ihr Stehn am Büdchen: „Hierher komme ich nur für neue Ideen!“

Neue Verpackungs-Hits beleben das Geschäft und sind allerorten gefragt. Unkritisch ist das Publikum aber nicht. Es achtet streng darauf, daß seine geheimsten Wünsche erfüllt werden. Was sich dem zauberhaften Reiz der Verpackung entzieht, hat es unter überzeugten VerschenkerInnen schwer. Der Vorschlag vom „umweltfröhlichen Geschirrtuch“ zum Beispiel. Unlängst von den Verbraucherzentralen in die Arena der öffentlichen Meinung geworfen, hat das Tuch wenig Chance auf Überleben im weihnachtlichen Umhüllungsrausch. Ein heftiges „Das ist gigantisch!“ warf es bereits zu Boden. Zu stark nach Hausarbeit und Küche roch's, auf Kosten der Magie. Eva Rhode