Polen sieht Asylrechtsänderung gelassen

■ Außenministerium übt Zurückhaltung: Eigentlich habe sich nichts geändert/ Befürchtungen nur wegen der in Deutschland geduldeten polnischen Staatsbürger

Warschau (taz) – „Die Entscheidung über die Änderung des Asylrechts wurde in Warschau mit Verständnis aufgenommen“, findet die Gazeta Wyborcza, und Artur Hajnicz, Deutschlandexperte des polnischen Senats, ist gar der Meinung, die neuen Regelungen trügen zur Stabilisierung der Demokratie in Deutschland bei und seien von daher auch in polnischem Interesse. Auch im Außenministerium, das bisher offiziell noch gar nicht Stellung genommen hat, übt man sich in Zurückhaltung: Es habe sich eigentlich nichts geändert. So ist zu vernehmen, daß gemäß dem Abkommen, das Polen vor zwei Jahren mit den Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens abschließen mußte, um die Visafreiheit für seine Bürger zu erreichen, Polen ohnehin schon die ganze Zeit über verpflichtet gewesen sei, auch von Deutschland abgeschobene Drittstaatenbürger aufzunehmen. Deutschland habe bisher von diesem Recht kaum Gebrauch gemacht. Rumänische Roma, die von Polen nach Deutschland kamen und deren Asylantrag dort abgelehnt wurde, wurden in der Regel von Bonn direkt nach Bukarest abgeschoben.

Polen, so das Fazit von Presse und Politikern, werde von Deutschlands neuem Recht nur dann betroffen, wenn eine größere Flüchtlingswelle aus den GUS- Staaten einsetzen sollte. Dann hätte Polen keine Möglichkeit, die daraus resultierenden Belastungen auf andere Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention zu verteilen. Bis jetzt hat Polen damit trotz mehrerer zehntausend Sinti und Roma aus Bulgarien und Rumänien, die sich im Land aufhalten, kaum Probleme. Diese stellten ihre Asylanträge bisher ausschließlich in Deutschland, wurden sie abgelehnt, erneuerten sie die Anträge in Polen nicht. Die absolute Mehrheit der in Polen meist campierenden Sinti und Roma meldete sich nie bei den Flüchtlingsämtern. Zwar erklärt man dort, sie hätten überwiegend auch gar keine Aussicht, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, doch stellen sie erst einmal Anträge, beginnen für Polen die Probleme. Und ob sie das nicht tun werden, wenn sich herumspricht, daß Deutschland die Türen schließt, ist völlig offen. Für die meisten dürfte Polen allemal attraktiver sein als Rumänien, selbst wenn sie dort nicht politisch oder rassisch verfolgt wurden.

Einstweilen konzentrieren sich Polens Befürchtungen so eher auf einen Sachverhalt, der mit der deutschen Verfassungsänderung zwar nichts, mit der amtlichen Haltung Ausländern gegenüber dafür um so mehr zu tun hat: Mehrere hunderttausend Polen leben mit behördlicher Duldung in Deutschland, so schätzt man, ohne daß die Gründe, die zu ihrer Duldung oder gar Einstufung als Flüchtlinge geführt haben, noch gelten. Sie können ebenfalls zurückgeschickt werden. Bisher ist dies nur in Einzelfällen geschehen, die allerdings jedesmal ein breites Presseecho ausgelöst haben, eben wegen der Befürchtung, die deutschen Behörden könnten zur Entlastung des deutschen Arbeitsmarktes seit Jahren in Deutschland wohnende Polen in der Größenordnung einer mittleren Kleinstadt zurückschicken. Weniger die Verfassungsänderung als die allgemeine Klimaveränderung gegenüber Ausländern hat solchen Ängsten nun neuen Auftrieb gegeben. Klaus Bachmann