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■ Der EG-„Schicksalsgipfel“ in Edinburgh ging zu EndeDer Preis des Erfolgs

Monatelang darbte die EG. Außenpolitisch war sie gelähmt. Im Inneren zerfleischte sie sich bei jeder Diskussion – egal, ob es dabei um Finanzen, politische Organisation, Verträge oder um die Standorte für Institutionen der Gemeinschaft ging. Mehrfach erlitt die EG Niederlagen beim Wahlvolk. Es war ihre schwerste Krise. Nur ein Schritt trennte sie vom Auseinanderbrechen. 35 Jahre westeuropäischer Politik für die Zusammenarbeit und den Frieden wären damit zu Ende gegangen.

So die allgemeine Zustandsbeschreibung der Gemeinschaft vor Edinburgh. Jetzt – da der „Schicksalsgipfel“ vorbei ist – scheinen alle Gefahren gebannt. Die Akteure atmen auf. Sie sprechen von der Kraft der EG, Konflikte zu bewältigen, preisen einen „Wendepunkt in der Gemeinschaftsgeschichte“ und die Rettung der „Maastrichter Verträge“.

Tatsächlich haben die zwölf Männer in Edinburgh– Frauen waren an dem historischen Gipfel nur im Hintergrund beteiligt – nach monatelanger Stagnation erstmals wieder Entscheidungen gefällt. Auch bei einigen besonders konfliktträchtigen Themen haben sie Lösungsansätze gefunden. Sie haben gezeigt, daß sie kompromißbereit sind, wenn es darum geht, die Organisation zu retten.

Dieser neu bekräftigte Wille zur Zusammenarbeit ist das eigentliche Signal von Edinburgh. Die Gemeinschaft und ihre Institutionen jedoch sind mit diesem Gipfel noch ein Stück schwächer geworden. Die Währungsunion der Zwölf ist offiziell zu Grabe getragen worden. Und die „gemeinsame Außenpolitik“, die jahrelang als zentraler Bestandteil der Europäischen Union galt und seit Beginn der Jugoslawienkrise so schmerzlich fehlte, ist in weite Ferne gerückt. Zwar gilt der Sonderstatus zunächst nur für Dänemark. Doch ist damit ein Präzedenzfall geschaffen, auf den sich bisherige EG-Mitglieder und die Bewerber aus Skandinavien und Mitteleuropa berufen können. Neutrale Länder wie Österreich und Finnland können ihren Beitritt zu einer „dänischen EG“ betreiben, Nato-Mitglieder wie Norwegen zu einer „deutschen EG“. Von einer gleichzeitig verlaufenden europäischen Integration kann keine Rede mehr sein.

In Edinburgh hat die EG ihre außenpolitische Unfähigkeit gleich noch einmal unter Beweis gestellt: Mazedonien-Skopje wird auf Betreiben Athens wieder nicht anerkannt. Dabei hatten schon vor Jahresfrist europäische Verfassungsrechtler im Auftrag der EG für internationale Anerkennung plädiert. Zum Edinburgher Gipfel hatte eine EG-Untersuchungskommission unter Vorsitz des britischen Botschafters Robin O'Neil diese Empfehlung bekräftigt. Trotzdem bleibt der neue Staat auf dem Balkan isoliert. Der weiteren ökonomischen Verelendung und nationalistischen Zuspitzung in dem kleinen Land sind damit Tür und Tor geöffnet.

Das demokratische Defizit der Gemeinschaft ist in Edinburgh gewachsen. Da haben zwölf Staats- und Regierungschefs hinter verschlossenen Türen internationale Verträge verändert. Die Konsequenzen betreffen zwölf Länder. Doch die Parlamente und Wahlvölker in den neun Ländern, die zuvor bereits die Verträge in der ursprünglichen Fassung ratifiziert hatten, sollen nicht mehr gefragt werden. Ein hoher Preis. Dorothea Hahn

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