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Bezirk lehnt Hilfe ab

■ Kirchengemeinde St.Ansgar will Notunterkunft für obdachlose Junkies auf dem Kiez errichten / Bauausschuß Mitte stellt sich quer

auf dem Kiez errichten / Bauausschuß Mitte stellt sich quer

Eigentlich könnte es jederzeit losgehen: Ein ausrangierter Zirkuswagen mit eingebauten Sanitäreinrichtungen und drei Wohncontainer stehen bereit, um 30 obdachlosen Junkies auf dem Kiez für den Winter einen Schlafplatz zu bieten.

Die Niendorfer Kirchengemeinde St.Ansgar wollte einmal unkonventionell helfen, sammelte Spenden und Gerät, führte Gespräche mit Behörden. Doch nun droht die geplante Notunterkunft zu scheitern. Das Bezirksamt Mitte lehnt es ab, ein Grundstück für die Behausungen bereit zu stellen. Begründung: Es würde eine Sog-Wirkung entstehen und immer mehr Elend nach St.Pauli kommen. Dezentalisierung heißt das vom Bezirksamt propagierte Zauberwort. Die Container sollen am besten dort hin, wo sie niemand sieht — nach Hammerbrook zum Beispiel.

Die Drogenberatungsstellen und die GAL-Mitte sehen das ganz anders. Es sei nötig dort Unterkünfte zu schaffen, wo sich die Junkies auch aufhalten, sagte Chritine Stanker von der Kiez-Beratungsstelle „Tante Emma“ gestern vor Journalisten. Zur Zeit stehen in Hamburg nur 25 Betten für obdachlose Drogenanhängige zur Verfügung. Angesichts von 4000 obdachlosen Junkies lächerlich wenig.

„Durch die Schaffung von Schlafstätten werden die Bürger St.Paulis entlastet“, sagte Petra Nollenberg, Bezirksabgeordnete der GAL. Übernachten würden wohnungslosen Junkies so oder so im Stadtteil — notfalls auf Dachböden, in Kellern oder Hauseingängen. Von der Sozialbehörde sei sogar eine reguläre Übernachtungsstelle für Drogenabhängige im Haushalt vorgesehen, die nur aufgrund fehlender Räume nicht realisiert werden konnte.

„Wir würden natürlich auch viel lieber ein richtiges Haus haben“, sagt Gabriele Scheel von der Kirchengemeinde St.Ansgar, „aber lieber die Container als gar nichts.“ Doch nach „gar nichts“ sieht es im Moment aus, obwohl schon geeignete Plätze gefunden wurden: die Grünfläche an der Reeperbahn Ecke Peepermöhlenbeck zum Beispiel oder die Bismarck-Wiese am Millertor.

Bisher hat der Bauausschuß- Mitte alle Vorschläge verworfen. Doch glaubt man den Worten von Sozialdezernentin Ute Florian, so ist die Sache noch nicht ganz vom Tisch. Der Bauausschuß wolle sich diese Woche zum dritten Mal mit der geplanten Notunterkunft befassen, sagte sie gegenüber der taz. Auch die GAL-Mitte will heute nachmittag einen entsprechenden Antrag in der Bezirksversammlung stellen. Man darf gespannt sein, ob die verantwortlichen Gremien noch vor Ende des Winters eine Lösung finden. Andrew Ruch

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