Hohe Strafen für Magdeburger Skins

■ Urteil im „Elbterrassenprozeß“ um Tod eines Punks

Magdeburg (taz) – Im sogenannten Elbterrassen-Prozeß wurden gestern von der 2. Strafkammer des Magdeburger Landgerichts die Urteile gegen die fünf Rädelsführer eines Skinhead- Überfalls auf eine Geburtstagsparty von Punkern im Mai dieses Jahres in Magdeburg verhängt. Bei diesem Überfall von rund 60 zum Teil bewaffneten rechtsradikalen Skins wurde der 23jährige Torsten Lamprecht erschlagen. Das Gericht verhängte gegen die Haupttäter Jugend- und Haftstrafen zwischen zwei und sechs Jahren und ging damit zum Teil weit über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus.

Die drakonischen Strafen begründete der Vorsitzende Richter Hartmut Krüger mit der individuellen Schuld der Angeklagten. Auf keinen Fall habe sich das Gericht von Forderungen nach härteren Gesetzen und Strafen gegen rechtsradikale Gewalttäter leiten lassen, wie sie nach den Morden von Mölln immer wieder erhoben werden. „Im Rahmen der zulässigen Strafmaße für die nachgewiesenen Straftaten“, so Richter Krüger, ist jedes Urteil durchaus vertretbar.“ Die Jugendstrafen gegen die beiden 20jährigen Pierre W. und Michael K. setzte das Gericht für drei Jahre zur Bewährung aus. Alle Angeklagten hörten das Urteil regungslos und mit erstarrten Gesichtern. Wer die tödlichen Schläge gegen Torsten Lamprecht geführt hat, hat auch die Verhandlung nicht zutage gebracht.

Während des 15tägigen Prozesses hatten sich drei der Angeklagten vom Rechtsradikalismus und der Gewalt distanziert. Der Hauptangeklagte Frank F. aus Wolfsburg hatte generell jede Aussage zur Sache verweigert. Lediglich der jüngste der Angeklagten, der 18jährige Olaf B., bekannte sich offen zum Rechtsradikalismus. Gegen ihn verhängte das Gericht eine Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren ohne Bewährung, da eine hohe Gewaltbereitschaft von ihm ausgehe. Er biete keine Gewähr dafür, daß er bei einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht beim nächsten Überfall wieder dabei sei. Olaf B., dessen Haftbefehl seit Sommer dieses Jahres ausgesetzt war, wurde noch im Gerichtssaal wieder festgenommen. Aber auch bei den Angeklagten, die der rechten Szene abgeschworen hatten, hegte das Gericht durchaus Zweifel. „Man mußte doch nur die Verbrüderungsszenen zwischen den Angeklagten und den Zuschauern aus der Skinheadszene in den Verhandlungspausen beobachten“, begründete Richter Krüger diese sicher berechtigten Zweifel. Aber auch für Rechtsradikale gelte das Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“. Deshalb habe das Gericht in zwei Fällen die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Der letzte Verhandlungstag verlief wie die anderen unter strengen Sicherheitsbestimmungen. Insbesondere die Punker mußten strenge und teilweise absurde Personen- und Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen. Neben Nietenarmbändern und Batterien fand sich so auch ein vorübergehend beschlagnahmter Behälter zur Aufbewahrung und Reinigung von Kontaktlinsen auf dem Tisch der uniformiertenn Saalkontrolleure. Auf den Einwand eines Kameramannes, daß der Besitzer ja nun nichts mehr sehe, antwortete ein Polizist grinsend, daß es ja reiche, wenn er die Urteilsverkündung höre. Eberhard Löblich