Berauschender Radio-Prozeß

■ Entgangener Hörgenuß: Ein DT64-Freund und Gebührenzahler verklagte die Landesregierung

Dresden (taz) – Der Kläger Hans-Jürgen Westphal hat etwas Stures an sich. Wie er dem Richter mit stoischer Ruhe erklärt, daß DT64 nicht, wie jener irrtümlich annahm, eine Fernseh-, sondern eine „Rundfunkstation der Deutschen Demokratischen Republik“ gewesen sei, daß es aber „darauf überhaupt nicht ankommt“, sondern auf das, was davon geblieben ist, nämlich eine berauschende Mittelwellenzumutung, das kann einen aus Bayern stammenden Richter schon etwas zappelig machen. Zumal der Große Saal des Verwaltungsgerichtes Dresden knackevoll ist mit SchülerInnen, die dem nicht mehr jugendlichen Westphal, der statt der schlechten Mittelwellen-Hörqualität (West) die gute alte UKW-Hörqualität (Ost) wiederhaben will, unverhohlen Beifall lachen. Der Beisitzende Richter hat Heimvorteil. Er wisse, was DT64 sei, „aber wir wollen uns“, mahnt er, „zu Anfang darüber verständigen...“ Da fällt ihm der Kläger kooperativ ins Wort: „Ich will Ihnen sagen, worüber wir uns verständigen können. Sie erklären Ihrem Nebenmann, was DT64 ist, damit er sich richtig vorbereiten kann.“

Das sitzt. Die Erwiderung des Richters auch. Damit haben sich die beiden Seiten auf den konzentrierten Plauderton fachsimpelnder Experten eigepegelt. Anwalt Lang könnte eigentlich gehen. Er vertritt die Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, die Beklagte.

Ob die Anstalt „die richtige Beklagte“ sei, war schon vor dem Verhandlungstermin am Dienstag strittig. Westphal hatte seine Klage an den „Freistaat Sachsen, vertreten durch den Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf“, gerichtet. Das Gericht hatte die Klage an die Anstalt weitergeleitet, „in der Annahme, daß Sie damit die meisten Chancen auf Erfolg haben“, wie Richter Leonhard fürsorglich versicherte. Westphal dagegen meint, daß der „richtige Beklagte“ derjenige sei, „der bewirkt hat, daß DT64 seine bisherige UKW-Frequenz verlor“. Die HörerInnen seien nun um den Gegenwert ihrer Rundfunkgebühr betrogen worden, denn der Mittelwellenempfang sei kein „Äquivalent“ für den früheren UKW-Empfang.

Richter Leonhard versucht es mit einem Bild. Ob er, der Kläger, denn schon mal bei einer Behörde etwas beantragt habe. Westphal läßt sich nicht aufs Glatteis führen. Nein, hier gehe es doch nicht um eine Baugenehmigung, der die Behörde zustimmen könne oder auch nicht. Er wolle doch nichts Neues haben, er wolle lediglich „den Raub einer mir zustehenden Leistung“, für die er „sehr viel Geld bezahlen“ müsse, verhindern. Das leuchtet dem Richter ein. Aber welches Gesetz nehmen wir? Die beiden suchen gemeinsam. Grundgesetz? Rundfunkfreiheit? Die bleibt ja gewahrt. Informationsfreiheit, die „ist nicht an eine bestimmte Sendequalität gebunden“, sind sie sich einig. Versuchen wir es doch, schlägt der Kläger vor, mit dem Einigungsvertrag, „ich habe ihn mitgebracht“. Dort stehe der Artikel 35: Die „kulturelle Substanz“ des Beitrittsgebietes dürfe keinen Schaden nehmen.

„DT64 sendet ja, es ist keine Frage der Kultur, in welcher Qualität das geschieht.“ Das war der Rechtsanwalt Lang für die Landesmedienanstalt. Dem Richter bleibt das Fazit, daß eine „drittschützende Norm“ für die Klage nicht zu finden sei. Der Kläger sei mit seinem Anliegen nicht in den Schutzbereich der von ihm bemühten Normen einbezogen, sondern nur „reflexartig“ betroffen. Als Hörer eben, nicht als Eigentümer von DT64. Ob er demnach mit seinem Begehren zwar irgendwie richtig liege, nur der Falsche sei, der hier klage. Westphals Nachbar, das muß sein Anwalt sein; er hat eben etwas vorgesagt. Erleichtert nickt der Richter. Ja, so könne man das sagen. Klagen könnte, nur mal so als Beispiel, der MDR. Oder DT64 könne darauf hinwirken, daß der MDR klage.

Wie denn für den Freundeskreis DT64 und die von ihm gesammelten 500.000 Unterschriften die Rechtslage wäre, möchte der Kläger wissen. Das kann der Richter nur für Bayern beantworten. Dort gebe es den Volksentscheid in der Verfassung. Ob auch in Sachsen, könne er nur vermuten, er wisse das nicht so genau. Aber er empfehle, die Klage zurückzunehmen. Der Kläger dankt für den guten Rat. Er wird sich mit seinem Anwalt beraten. Detlef Krell