■ Im entscheidenden Moment versagte die Opposition
: Die SPD-Politik – unfähig!

Es ist geradezu aberwitzig, die Parteienvereinbarung zum Asyl als Einwanderungskompromiß zu bezeichnen, denn im Grunde genommen beweist die SPD, daß sie im entscheidenden Moment davor zurückschreckt, machtpolitisch einen gesellschaftlichen Kompromiß zu erzwingen. Wie die Deutschen ihre Asylpolitik definieren und formulieren, hat mit der Fähigkeit der Polen, eine Asylverwaltung aufzubauen, erst mal gar nichts zu tun. Wie die Deutschen ihr Staatsangehörigkeitsrecht definieren, hat etwas mit ihrer Fähigkeit zu tun, Einwanderer längerfristig demokratisch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wie die Deutschen Einwanderung regeln, hat mit ihrer Fähigkeit zu tun, eine Einwanderungspraxis zu definieren und eine Einwanderungsgesetzgebung zu formulieren.

Als politikunfähig erweist sich die SPD, da sie nicht hier und jetzt in einem Junktim die Grundgesetzänderung des Artikels 16 mit einer Neuformulierung des Artikels 116 verbunden hat. Etwa so: „Deutscher ist, wer deutsche Eltern hat oder in Deutschland geboren ist. Näheres regelt ein Gesetz.“ Hier würden dann doppelte Staatsangehörigkeit und andere Verfahrensmöglichkeiten erläutert werden. Dies wäre die Basis gewesen, um die zukünftige Einwanderung, aus welchen Gründen auch immer, im demokratischen Konsens unserer Gesellschaft integrieren zu können. Nachzuschieben, man würde Gesetzesinitiativen in näherer Zukunft einbringen, aus der Opposition heraus, ist als lächerliches Argument kaum ernst zu nehmen. Denn nur das politische Junktim würde die CDU zwingen, die ethnische, rassische Blutsdefinition des Deutschen endlich aufzugeben. Aber, wie gesagt, um dies zu erreichen, müßte man politikfähig sein. So ist das Ding gründlich, wie nun deutsche Parteien mal sind, danebengegangen. Man hat das Asylrecht mangels potentieller Antragsteller ersatzlos abgetrieben, man hat das Einwanderungsgesetz auf das nächste Jahrtausend verschoben, und man hat die rein-ethnische Einwanderung bis zum nächsten Jahrtausend festgeschrieben.

Was die Sozis nicht verstehen, ist, daß sie damit eine Verhärtung der ethnischen Gefühle produzieren und die Permanenz einer womöglich militanten Konfrontation in unseren Städten riskieren. Ohne Angebote einer politischen Integration der hier lebenden jugendlichen Migranten wird sich der soziale Frieden in unseren Städten und Gemeinden nicht aufrechterhalten lassen. Jegliche Sozialpolitik, so gut gemeint sie auch sein mag, die abgekoppelt wird von dieser politischen Dimension, wird das Syndrom der hilflosen Helfer nur verstärken.

Es mag sein, daß die Sozialdemokraten aus Angst vor der Rechtsentwicklung sich bemüßigt gefühlt haben, in den Schoß des ethnischen Blocks zu kriechen. Doch die Angst vor einer gewalttätigen Eskalation in unseren Städten sollte sie zwingen, darüber nachzudenken, ob nicht doch auf der doppelten Grundgesetzänderung als Junktim im Gesetzgebungsverfahren bestanden werden muß. Selbst Sozialdemokraten sollten wissen, daß Politik und Politikfähigkeit nicht durch Sozialarbeit ersetzt werden können. Daniel Cohn-Bendit

Dezernent im Frankfurter „Amt für multikulturelle Angelegenheiten“