Deutsche an die Hungerfront

Die Entscheidung zur Entsendung von Bundeswehr-Soldaten nach Somalia/ Die SPD-Ablehnung dürfte nur schwer zu vermitteln sein  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Der Bundesregierung gehe es nicht um die Befriedung Somalias, sondern um die Befriedung der CDU/CSU-Fraktion nach dem Rücktritt von Postminister Christian Schwarz-Schilling. Diese Worte des SPD-Abgeordneten Norbert Gansel, gesprochen gestern im Mitteldeutschen Rundfunk, enthalten gewiß mehr als nur ein Körnchen Wahrheit.

Wochen-, ja monatelang hatten sich die Regierungsparteien unter sich und beide mit der SPD-Opposition gestritten, ob die Bundeswehr in Somalia oder anderswo außerhalb des Nato-Gebietes eingesetzt werden dürfe, und wenn ja, wie. Mit dem Rücktritt des Postministers erhielten die Bellizisten in der CDU-Fraktion starken Rückenwind. Helmut Kohl mußte zugucken, er war ja in Rußland.

Gestern ging dann alles plötzlich ganz schnell. Kohl war eben erst aus Moskau eingetroffen, das Kabinett hatte noch gar nicht über die Frage befunden, da trat der Kanzler schon mit seiner Ankündigung vor die Kameras, die Bundesregierung werde bis zu 1.500 Soldaten nach Somalia schicken.

Zuvor hatte es eine Ministerrunde gegeben, an der die beiden betroffenen FDP-Minister Klaus Kinkel und Sabine Leutheusser- Schnarrenberger wegen anderer Termine gar nicht teilnehmen konnten. Statt dessen hatten ihre Staatssekretäre „präzise Weisungen“ (ein Kinkel-Sprecher) dabei, wo die Grenze zu ziehen sei, die „für die FDP-Seite die Interpretation erlaubt, daß es sich um keinen militärischen Einsatz im Sinn des Grundgesetzes handelt“, wie es ein Kinkel-Sprecher formulierte.

Solange das „Gewaltpotential“ nicht das „Spezifische“ des Einsatzes sei, sei diese Grenze gewahrt, erläuterte man feinsinnig im Haus der Justizministerin. Diese Voraussetzung gelte, wenn die deutsche Truppe in Somalia in befriedeten Gebieten verharre. Diese Einschränkung setzt freilich hinter den ganzen Einsatz ein Fragezeichen. Im Außenministerium verweist man auf die Weigerung der US-Interventionstruppen, die somalischen Banden zu entwaffnen.

Sechs bis acht Wochen braucht Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) ohnehin noch zur Vorbereitung. Anders als seine Kollegen in Frankreich oder Italien, die „zack, zack“ (ein Kinkel- Sprecher) ihre Soldaten an die Hungerfront werfen können, muß Rühe zunächst eine „Teilmobilmachung“ anordnen.

Auch die Bewaffnung des Verbands, der „voraussichtlich“ nur aus Freiwilligen bestehen soll, scheint noch nicht ganz klar. Es werde sich wohl weitgehend auf Handfeuerwaffen beschränken, hieß es im Verteidigungsministerium. „Eine Zwille wird aber nicht reichen.“

Schwer getroffen war gestern schon die SPD. Parteichef Björn Engholm und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Hans-Ulrich Klose, mühten sich, ihre nicht eben leicht verständliche Position klarzumachen: Einerseits handele es sich bei Kohls Soldatenverschickung wegen der fehlenden verfassungsrechtlichen Grundlagen um einen Skandal.

Andererseits sei der internationale Militäreinsatz in Somalia sinnvoll und eine Beteiligung der Bundeswehr wünschenswert. Dafür bot Kohl der Opposition neben der Peitsche auch das Zuckerbot: Gespräche über das Grundgesetz gleich im Januar.