Teddy heil auf Krankenschein

■ Ein wunderbares Teddydoktor-Ehepaar heilt kranke Bären und ihre traurigen Menschen

Teddy heil auf Krankenschein

Ein wunderbares Teddydoktor-Ehepaar heilt kranke Bären und ihre traurigen Menschen

Ich sage Ihnen: Lourdes ist nichts dagegen. Wunderbare, ergreifende Szenen spielen sich täglich ab bei Karstadt an der Rolltreppe, wo in einem kleinen Stand das Ehepaar Müller, Elfriede und Wilhelm, sitzen und Frieden bringen den Teddybären und ihren Menschen. Mein Francois, ehemals aus einem Bremer Spielwarengeschäft befreit, hat eine böse Verletzung in der Leiste. „Was für ein netter, feiner Kerl!“ brummt die Stimme von Herrn Müller beruhigend. Und Francois entspannt sich augenblicklich unter seinen Händen. Und der Doc guckt Francois in die braunen Augen, betastet die Lympfknoten und nebenbei die Naht am Hals, befühlt wie die Hexe bei Hänsel und Gretel, ob die Arme und Beine schön fest sind. Und Elfriede Müller kriegt Francois nach der Voruntersuchung auf ihren OP-Tisch, näht die Leiste zu und greift zum Fell-Striegel aus Draht. Francois schnurrt. Und kriegt eine Schleife um den Hals und ist gesund. Auf Krankenschein: Die Müllers heilen gratis, und das ist eine Aktion von Karstadt und Plüsch Heunec, wohinter sich das frühere Geschäft der Müllers in Neustadt bei Coburg verbirgt — die Plüschstadt Bayerns.

Die Menschen vor dem Stand stehen wie angeklebt. „Nein wie wunderbar! Wie süüüüß!“ jubelt eine 50jährige Bremerin, deren Teddy jetzt keck das Mäulchen nach oben schürzt, wo vorher der Dackel ein garstiges Loch gebissen hatte. Frau Müller hat wunderbar gestopft und bestickt. Die häufigsten Krankheiten sind: Arme, Beine, Ohren, Augen ab. Aus einem Ohr machen Müllers zwei wie neu, mit dem alten Plüsch hinten und neuem Fell für vorn. Seit 40 Jahren sind sie in der Branche, haben alles „von der Pieke auf!“ gelernt, das Zuschneiden, Stopfen, „Garnieren“, und keine dreimal gestopfte Tatze bringt sie in Verlegenheit. Man sieht auch: Die Tiere haben keine Angst in ihren Händen. Draht-Bären bekommen richtige Gelenke, Einäugige werden sehend. Brutale Augenoperationen, bei denen die lange Nadel zur Augenhöhle hinein- und am Nacken herausfährt, beherrscht Herr Müller routiniert. „Oh Gott!“ muß sich eine Kundin schaudernd abwenden.

Die Patienten sind oft schon sehr alt, Kriegs-Exemplare mit Pfoten aus aufgenähten Staubtüchern sind dabei, ganz abgeherzte, abgelutschte Gefährten. Manche Menschen sind so glücklich, daß sie einen 20er oder eine Packung Marzipankartoffeln hergeben. Gehen Sie unbedingt hin und wärmen Ihr Herz. Susanne Paas