Stier mit Menschen-Gen

Niederländisches Parlament erlaubt Herman, dem ersten transgenen Stier, die Vermehrung/ Nutzen des Experiments höchst umstritten  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Herman darf Nachwuchs zeugen. Die Erlaubnis bekamen seine Hersteller am Donnerstag abend vom niederländischen Parlament. Herman ist der erste Stier der Welt, dem ein menschliches Gen eingepflanzt worden ist.

Seine „Schöpfer“, die Biotechniker der Gene Pharming Europe B.V aus dem niederländische Leiden, produzierten das „transgene“ Tier, indem sie ein menschliches Gen in seine Erbanlagen einschleusten. Das Gen dient bei Menschenfrauen zur Produktion des Proteins Lactoferrin, das als Bestandteil der Muttermilch Brustentzündungen verhindert.

Die erste Panne passierte den Biotechnikern bereits bei der Prduktion von Herman: Er wurde zu ihrem großen Leidwesen keine Kuh, sondern ein Stier. Wenn er sich nicht vermehren dürfte, wäre also das ganze Experiment für die Katz. Die Biotechniker von Gene Pharma hoffen jetzt, daß Herman mit einer normalen Kuh Töchter zeugt und an sie das menschliche Gen weitervererbt.

Hermans Töchter sollen, wenn's klappt, durch das Menschen-Gen vor der bei Kühen verbreiteten Euterentzündung „Mammitis“ resistent sein. Als weitere Argumente führten die Techniker vor dem niederländischen Parlament in den Haag an, daß sie das Lactoferrin außerdem aus der Kuhmilch isolieren wollen, um daraus Medizin gegen Entzündungen aller Art zu produzieren. Das so gewonnene Medikament soll Tieren und Menschen zugutekommen. Auch die häufigen Infektionen, die mit der Aids-Krankheit einhergehen, sollen mit dem Lactoferrin behandelbar werden.

Gegner des Experiments, wie der niederländische Tierschutzverband, wollen, daß der Versuch aus ethischen Gründen sofort gestoppt und der Stier getötet wird.

Die Entscheidung des niederländischen Parlaments dürfte für die europäische Pharmaindustrie ein Meilenstein für die transgene Forschung überhaupt sein. Auf EG-Ebene wird bereits seit vier Jahren über das Patentrecht auf gentechnisch veränderte Produkte verhandelt. Die Patentbehörden der zwölf Mitgliedstaaten sind aufgerufen, zu einem Derektiven- Entwurf Stellung zu nehmen, nach dem gentechnische Produkte nach dem „Bauernprivileg“ behandelt werden sollen. Das bedeutete, daß Gene Pharma zwar transgene Tiere patentiert verkaufen kann, aber nicht für den Nachwuchs erneut Patentgebühren kassieren darf.

Jenseits derartiger rechtlicher und ethischer Fragen stellen Kritiker des Experiments auch die nach seinem Nutzen. Kühe, so Uri Vecht vom holländischen Institut für Veterinärmedizinforschung, würden normalerweise nach dem Kalben ein ähnlich wirkendes Eiweiß wie Lactoferrin produzieren, das sie in der Hälfte der Fälle ohnehin vor Mastitis schütze. Andere Wissenschaftler bezweifeln, daß ein transgen gewonnenens Lactoferrin tatsächlich die Eigenschaften aufweisen wird, die Gene Pharma ihm zuspricht. Gegen bakterielle Infektionen gebe es, so der holländische Tierschutzbund, ohnehin eine Reihe anderer wirksamer Medikamente.

In der Bundesrepublik versucht unterdessen der Deutsche Naturschutzring (DNR), die neuen Freisetzungsexperimente mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu verhindern. Sein Geschäftsführer Helmut Röscheisen erläuterte am Donnerstag in Bonn, daß es sich um Projekte mit entsprechend „manipulierten“ Zuckerrüben und Kartoffeln in den Landkreisen Northeim (Niedersachsen) und Deggendorf (Bayern) handele.

Diese Versuche, so Röscheisen, entbehrten jeglicher Notwendigkeit. Auch könnten die ökologischen Risiken einer Freisetzung nach wie vor nicht zuverlässig abgeschätzt werden.