Mit gequetschtem Fuß in der Tür der Macht

■ Kunsthochschulpräsidentin Adrienne Goehler über ihre Erfahrungen an einer Männerhochschule

Mit gequetschtem Fuß in der Tür der Macht

Kunsthochschulpräsidentin Adrienne Goehler über ihre Erfahrungen an einer Männerhochschule

„Jede Frau muß sich darüber klar werden, daß wenn sie einen Fuß in die Tür der Macht stellt, dies nicht ohne Quetschungen abgeht“, sagt Adrienne Goehler, Präsidentin der Kunsthochschule Hamburg. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Frauen und Macht“ vom Frauenbildungsverein belladonna organisiert, sprach Goehler über „Frauen in Machtpositionen“.

Ihre Erfahrung mit Machtpositionen fußen nur zum Teil auf ihrer jetzigen Position als Präsidentin einer Männerhochschule. 1989 war sie mit einer reinen Frauenliste als grünes Mitglied in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen. Zunächst hatte man sie für verrückt erklärt, erzählt sie. Vorschläge von Frauen für verrückt zu erklären oder schlichtweg lächerlich zu machen, das seien die bevorzugten und gängigen Strategien von Männern, die mühsam erworbene Macht von Frauen anzusägen.

„Wenn Frauen eine Position ergreifen, laufen sie außerdem Gefahr, daß die Position als solche entwertet wird“, stellt Goehler fest. Als sie vor drei Jahren zur Präsidentin der Kunsthochschule gewählt wurde, hat sie „sowas wie ein Machtvakuum geschaffen“, sagt Goehler. Denn Frauen müssen zwar die Machtstrukturen kennen, das heißt aber nicht, daß sie diese befolgen. Immerhin sind es männliche Machtstrukturen. Eine amerikanische Wissenschaftlerin hat den Begriff „männliche Definitionsgebermacht“ geprägt.

Bevor Goehlers Amt überhaupt bestätigt wurde, hatten sich Professoren der Kunsthochschule zusammengetan und einen Aufruf gegen Goehler unterschrieben. So ging die Hetze gegen die 36 Jahre junge Präsidentin los. Man warf ihr vor, nichts von Kunst zu verstehen, sie sei laut und anmaßend. Drei Männer legten eine 81-seitige Broschüre gegen sie vor, voller Anfeindungen wie: „Sie grüßt den Hausmeister nicht. Sie ist schlecht zu Frauen“, erzählt Goehler.

Ihre Arbeit setzt keinesweg ein umfassendes Kunstverständnis voraus, da sie als Präsidentin die Interessen der Hochschule hauptsächlich nach außen vertritt.

Inzwischen ist ein Schlichtungsvertrag von den Wortführern der Anti-Goehler-Kampagne und ihr selbst beim Hamburger Wissenschaftssenator unterzeichnet worden. Zwei externe Berater sind als Schlichtungspartner für ein halbes Jahr eingesetzt.

„Die Frauenbewegung hat bewirkt, daß offene Strukturen toleranter aufgefaßt werden, aber sobald es um Macht geht, fallen sämtliche Schranken“, sagt Goehler. „Wir befinden uns im Moment in einer Restaurationsphase, wo wieder um die Dinge gerungen werden muß, die frau selbstverständlich findet.“ Bei der „Zeitgeist“- Ausstellung vor einigen Jahren in Berlin wurden 44 Künstler ausgestellt, davon eine einzige Frau. „Es muß in diesem Falle von Männergeist gesprochen werden“, sagt sie.

Adrienne Goehler reichte einen Tip weiter, den sie einst von einer Senatorin bekam: „Du mußt immer gut aussehen. Wenn du einmal mit Schatten unter den Augen in die Hochschule gehst, sagen alle; Oh, überfordert. Beim Mann würden sie hingegen sagen: Oh, wie der sich aber einsetzt, toll.“ Man solle möglichst weiblich aussehen, „mit der Tendenz zum Vamp, würde ich sagen“.

In 80 Prozent aller Jurys ist sie die einzige Frau. Da kommt es vor, daß sie mit den Worten „Na, hör mal, Süße“, mitten in einer Rede unterbrochen wird.

Goehler sieht sich selber noch immer in der Versuchs-Phase. Hält sie die weiteren drei Jahre durch? „Ich denke, ich bin mir das schuldig, weil ich dies alles nicht hinnehme. Es ist eine Beleidigung der Intelligenz.“ Doch ihre Arbeit, das muß sie dann doch sagen, gefällt ihr „zu neunzig Prozent nicht.“ Vivianne Agena