Alles wieder gut?

Die deutsche Fußballnationalmannschaft gewinnt 4:1 in Uruguay, freut sich dolle und legt den unterhaltsamen Zwist erst mal zu den Akten  ■ Von Gunnar Mittermaier

„Ich weiß, die Welt war schon immer beschissen – das war 1510 so und wird im Jahre 2000 nicht anders sein.“ Enrique Santos Discepolos Worte aus einem Tango der 30er Jahre, der sich in Uruguay immer noch großer Beliebtheit erfreut, dürften Berti Vogts unbekannt sein, auch wenn sein Mienenspiel zuweilen den Eindruck erweckt, er würde heimlich aus einem versteckten Kopfhörer den melancholischen Klängen aus der Zeit des Skeptizismus lauschen.

Nach der blamablen 3:1-Niederlage in Porto Alegre gegen Brasilien hieß es bei Vogts vor dem Spiel gegen Uruguay eher „vorwärts und nicht vergessen, wer mein Sündenbock ist.“ Stefan Effenberg war's und wurde auf die Ersatzbank verbannt. Zwar hatte Effenberg gegen Brasilien nicht viel schlechter als seine Kollegen gespielt, es aber dennoch gewagt, die Hackordnung im Mittelfeld nach der Rückkehr des wieder genesenen Lothar Matthäus in Frage zu stellen. Das ziemt sich nicht für einen 24jährigen Fußballer, den Vogts wohl am liebsten in einen Unterwürfigkeitslehrgang schicken würde. Immerhin: Gegen die sehr defensiv eingestellten Uruguayer begannen die Deutschen etwas elanvoller als in den vergangenen Spielen, ohne jedoch vorerst zwingende Torchancen herausspielen zu können. Erst als die Uruguayer, die ohne Ihre großen Stars angetreten waren, erste zaghafte Vorstöße in Richtung gegnerisches Tor unternahmen, ergaben sich für Klinsmann und Möller gute Möglichkeiten. Dem 1:0 von Buchwald in der 41. Minute nach Flanke von Klinsmann, hätte der sonst sehr gute Schiedsrichter Lusto freilich die Anerkennung versagen müssen, denn Buchwald hatte sich bei seinem Kopfball eindeutig aufgestützt. In der zweiten Halbzeit gaben die Uruguayer Ihre sonst so gefürchtete Zieharmonikataktik in der Abwehr endgültig auf und machten es den Deutschen denkbar einfach. Die vor allem in puncto Schnelligkeit unterlegenen Uruguayer ließen sich ein ums andere Mal ausspielen, und so waren die sehenswerten Tore von Möller, Häßler und Klinsmann die zwangsläufige Folge. Erst kurz vor Schluß konnte Moran durch einen abgefälschten Schuß wenigstens den Ehrentreffer zum 4:1-Endstand erzielen.

Ob sich die deutsche Mannschaft mit diesem Ergebnis aus der Krise gespielt hat, erscheint zumindest fragwürdig. Zu schwach spielte die uruguayische B-Elf, deren Trainer Luis Cubilla nun in arge Erklärungsnöte geraten wird, wie er die Qualifikation für die WM 94 ohne seine Starspieler zu schaffen gedenkt. Der deutschen Freude tat's keinen Abbruch, allein Jürgen Klinsmann betonte nach dem Spiel gleich fünfmal in drei Sätzen, wie „happy“ er sei. Die Diskussion um die richtige Mittelfeldformation wird wohl dennoch weitergehen, und der Zwist zwischen Vogts, Matthäus und Effenberg war während der Südamerikareise vielleicht das unterhaltsamste Element. Da Matthäus gegen Uruguay alles andere als die Chefrolle im Mittelfeld spielte, erscheinen weitere Experimente in den folgenden Vorbereitungsspielen bis zur WM 1994 in den USA zwingend. Der arme Effenberg sollte Verstärkung erhalten: Schuster wieder für die Nationalmannschaft reaktivieren, dazu den alternden Wuttke (der, dem sie laut Ernst Happel ins Hirn geschissen haben). Zusammen mit Möller ergäbe dies eine wunderbar rotzfrech-geniale Formation. Als Fernsehkommentatoren werden Matthäus und Fritz Walter (nein, nicht der alte, der vom VFB) engagiert, und fertig wäre die endgültige Unterhaltungsspielsatireshow, von der die Öffentlich-Rechtlichen so lange geträumt haben.

Deutschland: Köpke - Thon - Kohler, Helmer - Häßler (84. Sammer), Buchwald, Matthäus, Zorc, Doll (84. Kirsten) - Möller, Klinsmann (79. Labbadia)

Zuschauer: 30.000; Tore: 0:1 Buchwald (41.), 0:2 Möller (61.), 0:3 Häßler (72.), 0:4 Klinsmann (76.), 1:4 Moran (83.)

Uruguay: Siboldi - Gomes, Daniel Sanchez, Moas, Cabrera - Moran, Saralegui (59. Garcia), Zalazar, Gutierrez - Peletti, Guerra