Das Kosovo will nicht das Zünglein spielen

■ Die Albaner in der ehemals autonomen Region boykottierten die Wahlen

Berlin (taz) – Wenn Milošević als Sieger aus den serbischen Präsidentschaftswahlen hervorgehen sollte, wird er dies auch jenen zu verdanken haben, die in Serbien unter seinem Regime am meisten gelitten haben, den Albanern im Kosovo. Sie nämlich sind in ihrer übergroßen Mehrheit dem Urnengang ferngeblieben. Daß sie nicht massiv für Panić votierten, mag politisch unklug sein, verständlich ist es allemal. Zwar hat der aus den USA zurückgekehrte Pharmaunternehmer den pathetischen Diskurs über das Kosovo als „Wiege der serbischen Nation“, der von Milošević über Cosić bis Drašković zum Standardrepertoire aller serbischen Politiker gehört, stets vermieden. Doch hat er sich nie dezidiert für eine Wiederherstellung der in der Verfassung von 1974 garantierten Autonomie des Kosovo ausgesprochen, vom Selbstbestimmungsrecht der Kosovo-Albaner ganz zu schweigen. Für die Kosovo-Albaner ist Panić also nicht das kleinere Übel, sondern eben Serbe, Angehöriger der Besatzungsmacht.

Seit nunmehr drei Jahren leben die Kosovo-Albaner, die zum großen Teil islamischen Glaubens sind, faktisch unter einer Fremdherrschaft. Im März 1989 ließ Milošević die Autonomie des Kosovo auf verfassungswidrigem Weg aufheben. Drei Monate später löste das Belgrader Parlament die Regierung und das Parlament des Kosovo förmlich auf. Damit war das Kosovo gleichgeschaltet. Wichtige Führer der Albaner, die knapp 90 Prozent der Bevölkerung des Kosovo ausmachen, wurden inhaftiert, Zehntausende öffentlicher Angestellter aus Verwaltung, Polizei und Schuldienst entlassen und durch Serben ersetzt. Kürzlich errichteten die Serben im Zentrum von Pristina, der Hauptstadt der Region, sogar eine orthodoxe Kathedrale, um den serbischen Anspruch auf das Gebiet quasi im Wortsinn zu zementieren.

Während Belgrad beim Zerfall Jugoslawiens für die Serben in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina immer das Recht auf Selbstbestimmung einklagte, gestand bis heute kein serbischer Politiker von Bedeutung dasselbe Recht der kosovo-albanischen Minderheit in Serbien zu. Im Mai dieses Jahres hat diese sich nun in einer Volksabstimmung, die von den Serben zwar verboten, aber nicht gestört wurde, für einen unabhängigen Staat ausgesprochen. Die Vereinigung mit Albanien zu einem späteren Zeitpunkt ist das erklärte Ziel des von Ibrahim Rugova angeführten „Demokratischen Bundes des Kosovo“, in dem sich fast alle politischen Kräfte der Region zusammengeschlossen haben. Kein serbischer Politiker – ob er nun Milošević oder Panić heißt – wird dies zulassen. Und so stehen die Zeichen im Kosovo auf Sturm. Wenn es im Kosovo zu einem Krieg zwischen Serben und Albanern kommt, so kündigte der albanische Präsident Sali Berisha bereits an, werde es zu einem Balkan-Krieg kommen, Albanien und Mazedonien würden nicht abseits stehen. Am Wochenende nun sicherte Italiens Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro bei einer offiziellen Visite seinem albanischen Kollegen die Hilfe seines Landes zu, falls es zu einem Konflikt zwischen Albanien und Serbien komme. Thomas Schmid