Engholm für starken Staat und großen Lauschangriff

■ Organisierte Kriminalität macht das Abhören von Wohnungen angeblich notwendig

Bonn (taz/dpa/AP) – SPD-Parteichef Engholm will die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG) zur Disposition stellen. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekräftigte er seine Auffassung, daß das Grundgesetz geändert werden solle, damit die Polizei künftig auch Wohnungen von verdächtigen Personen mit Richtmikrofonen und anderem Gerät bespitzeln kann. Die anwachsende Organisierte Kriminalität in Deutschland, insbesondere im Rauschgiftbereich, mache diese Maßnahmen notwendig. Damit kommt Engholm einer Forderung von CDU/CSU nach, die diesen sogenannten „großen Lauschangriff“ schon lange propagiert, bislang aber an FDP und SPD gescheitert war. Ein Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, das erst Mitte des Jahres verabschiedet wurde, sieht denn auch nur den „kleinen Lauschangriff“ vor, bei dem die Wohnung als privater, grundgesetzlich geschützter Rückzugsraum tabu bleiben soll.

Nach der bevorstehenden Änderung des Grundgesetzartikels 16 und der möglichen Verfassungsergänzung zum Zwecke des weltweiten Einsatzes der Bundeswehr wäre dies der dritte Bereich, in dem Engholm gemeinsam mit Kohl Hand an die Verfassung legen will. Zur Begründung führte Engholm außer der Gefährdung durch die Rauschgiftmafia an, die Sozialdemokratie solle endlich ihre Angst vor dem Polizeistaat überwinden, da die Zeiten, in denen die SPD noch Opfer von Bespitzelung geworden war, nun lange genug passé seien: „In der jetzigen Zeit müssen auch Sozialdemokraten für einen starken Staat einstehen.“

Beifall von zwei Seiten: Der bayerische Innenminister Stoiber begrüßte erwartungsgemäß den Vorstoß Engholms und hoffte, der Staatsschützer könne sich in der Partei „durchsetzen“. Rechtzeitig mit seinem Parteichef hat auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Peter Struck, seine Meinung über den „großen Lauschangriff“ geändert. Gespräche mit Polizeipraktikern hätten ihn überzeugt. Bedingung für den großen Lauschangriff soll laut Struck sein, daß ein Richter über den Einsatz und danach über die Verwertung der Erkenntnisse, die eventuell auf die Verhinderung von Straftaten beschränkt bleiben könnte, entscheiden müsse. Struck kündigte an, daß die SPD-Fraktion dieses Thema bis zum Frühjahr abschließend diskutiert haben soll. Er erwarte allerdings schwierige Auseinandersetzungen in Partei und Fraktion der SPD. JG