Scheußlicher als Geben: Nehmen müssen

■ taz-Umfrage aus aktuellem Anlaß: Welche Gräßlichkeit haben Sie mal geschenkt bekommen?

Kanns eine Kultursenatorin auch mal grausen? Sind wir nicht alle irgendwie Künstler und von daher auch das dusseligste Geschenk kustvoll, damit doch prima? So richtig will Helga Trüpel nicht raus mit der Sprache: „Ich hab immer Glück gehabt mit meinen Geschenken.“ Aber ein Kästchen mit den Scheußlichkeiten gibt's doch, „die nehm ich immer zum Preiskegeln mit.“ Das Allerallerdollste: Das war ein Plüschlöwe „von meinem angeheirateten Lover“.

Für den PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi, diese Woche aktuell in Bremen befragt, war die schlimmste Geschenk-Strafe ein Geduldspiel: „Als Kind bekam ich mal ein Puzzlespiel mit 10.000 Teilen geschenkt. Das hat meine Nervosität dermaßen gesteigert, daß ich dieses Puzzle nicht zusammen bekommen habe. Ich war darüber so verzweifelt und so wütend, daß ich das Spiel in die Ecke gefeuert und nicht mehr angesehen habe. Erst viel später, als ich ein bißchen reifer war, habe ich die 10.000 Teile dann mal zusammengesetzt.“

Hans Koschnick, ehemals Bremens Bürgermeister, erinnert sich mit Schaudern an ein Laubsäge-Set, das er mit zwölf Jahren zu Weihnachten geschenkt bekam. Das entlarvte ihn, vor allem in den Augen seines handwerklich begeisterten Vaters, als mißlungenen Sohn: der Junge zerbrach alle Laubsägeblätter, ohne auch nur eine Figur ausgesägt zu haben. „Ich habe mich zwei Weihnachtstage ganz fürcherlich geschämt“, gesteht Koschnik.

Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte wird auch im Freundeskreis zuweilen völlig falsch eingeschätzt. „Knallsüßen Honigwein hab ich bekommen und ihn später meinem Besuch noch stolz angeboten, weil nichts draufstand — grausig wars!“

Im Rahmen dieser taz-Umfrage konnte eine Entdeckung von fast kulturhistorischer Bedeutung gemacht werden. Was bringt Männer zur stummen Verzweiflung? Männer, so legen die überwältigenden Fallzahlen nahe, bekommen von nahen Angehörigen zumeist weiblichen Geschlechts Kleidungsstücke geschenkt, denen sie dann hilf- und dennoch trennungslos ausgeliefert bleiben. Achim Jaudas, Soziologe bei der Angestelltenkammer, fällt nicht nur auf Anhieb dieser scheußlich bräunliche Pullover mit den angestrickten 1-cm-Ärmelchen ein, der, ungetragen im Schrank liegt. Beim Thema „gräßliche Geschenke“ kratzen seine Bergsteiger-Beine noch heute beim Gedanken an die garstigen langen Wollstrümpfe, die die Jungs im Winter zur kurzen Hose mit Strapsen am Leibchen tragen mußten: „aus allergröbster Wolle! Ich habe Zeitungen um die Oberschenkel gewickelt, damit es nicht so kratzte!“

Wie neu steht auch Stefan Paul „Pauli“ vom Modernes das gelbe Hemd mit brauner Cordweste vor Augen, das er mit 16 bekam und zur Schule tragen mußte, wehrlos. „Jetzt wär' das ja mega-angesagt, aber damals...“

Viel offensiver geht der Ex- Staatsrat und heutige Geschäftsführer des Bremer Instituts Film/ Fernsehen, Hans-Helmut Euler, mit solchen Klemmen um: „Als ich so einen Pullover bekam, den ich gar nicht mochte, hab ich den meiner Tante zurückgeschnackt: 'Kannst Du den nicht anders verwenden?' — Hat sie.“

H. G.“, mit vollem Titel Hans- Georg Isenberg von der Kooperationsstelle Arbeiterkammer-Uni, hat alle Gründe, freundschaftliche Aktivitätsschübe in Selbstgetöpfertem zu fürchten. Er kennt von nahem „Tonfische, Tonblumen, alles, was man dann nur zum Polterabend mitnehmen kann! Dabei ist das mit Liebe ausgedacht und geschenkt, nur nicht gelungen...“

Was haben Kinder im Rahmen des Festes der Liebe auszustehen! Nicht nur, daß sie Muttis Lieblingshemden und Leibchenstrümpfe tragen müssen; tief in die kindliche Seele von Gert Settje, Geschäftsführer des Cinema Ostertor, hat sich der Anblick der Rute eingegraben, direkt aus der Hand eines wattebärtigen Weihnachtsmannes - oder statt Geschenken auf dem Gabentisch, einfach so: „Das war damals in vielen Familien üblich, aber für so ein Kind natürlich unglaublich schockierend!“

Richtig heiter dagegen fand Ludwig Busch, Geschäftsführer des DPWV, den vergleichsweise harmlosen, hygienischen und praktischen Zahnpastatuben- Aufroller: „Die Tube steht senkrecht drin, und dann wird mit einem Dreher regelmäßig nachgezogen. Die Tube steht immer stramm - ziemlich bescheuert!“

Elisabeth Motschmann, christdemokratische Fundipastorenfrau, muß über ein gräßliches Geschenk ganz lange nachdenken: „Also, da muß ich ganz lange nachdenken.“ Aber dann: „Die Rührstücke.“ Wie, Schneebesen? „Nein, das sind die Geschenke, die man dann wieder rauskramen muß, wenn derjenige zu Besuch kommt.“ Gut gemeint, aber schrecklich. Nähere Angaben sind ihr leider nicht zu entlocken. Außer: „Womit ich ja gar nichts anfangen kann, das sind Alkoholflaschen.“

taz-Umfrage: J.G., C.K., S.P.