Gruftie meets Bugs Bunny Von Walter Glatt

„O Gott, wie siehst du aus!“ bellte mir kürzlich ein scheinbar besorgter Arbeitskollege zu Schichtbeginn direkt ins Ohr. Es war einer dieser elenden Montage, an denen auch eine freundliche Anrede bereits wie ein Huftritt ins Gemüt wirkt. „Sieh dich selbst mal an, Alter“, kläffte ich zurück, „du könntest doch in jedem Zombie- Streifen auftreten — ohne Make-up!“ Das saß. „Jetzt komm aber, ja?“, winselte er plötzlich devot. Natürlich überhörte ich das. Schließlich war ich gekränkt worden. Hatte ich mich doch, nach morgendlicher Dusche und einem skeptischen Blick in den Unbestechlichen, nicht gerade leichten Herzens zu der Überzeugung durchgerungen gehabt, das Haus heute doch noch mal als geglückte Kiezkreuzung verlassen zu können. Ein Schuß Barrikadentouch, eine Prise SO-36-Boheme — sooo schlecht gemischelt hatte ich meine Karten nicht geglaubt. „Na ja“, knurrte ich, von Selbstzweifeln zernagt, „bist halt mehr 'n Gruftie-Typ.“

Als ich dann wenige Minuten später zufällig auf einen Spiegel stieß und kurz den aktuellen Teint überprüfen wollte, traute ich meinen verquollenen Augen nicht: wildwuchernde Flecken hatten sich auf meinen farblosen Wangen wie häßliche Entzündungsherde verteilt und die zwei aufgebrochenen Fieberblasen auf meinen Lippen wiesen auch nicht gerade auf kernige Gesundheit hin. Vor diesem Hintergrund wirkte mein lässiger Dreitagebart natürlich nur noch unvorteilhaft. Es mußte etwas geschehen!

Ein befreundeter Mediziner wußte Rat: „Im Winter braucht der menschliche Körper mehr Vitamine, weißt du“, beruhigte er mich routiniert am Telefon. „Du solltest Vitamin-C kaufen und dir jeden Tag eine Brausepille reinziehen. Außerdem rate ich in diesen Monaten ja generell zu viel Obst und Gemüse.“

Ich tat, wie mir geheißen. Eine Besserung trat nicht ein. Zwar verschwanden die roten Flecken. Aber nur, um als ockerfarbene Streifen zurückzukehren. Vitamin-C-Allergie? Jedenfalls sah ich nun aus wie ein alter Sioux auf seinem letzten Kriegspfad. Unglaublich! Der kalte Hauch der Ausweglosigkeit streifte mich.

„Nimm doch Grüntee“, flötete mein Freund Charly, nachdem er sich scheinbar mitfühlend meine Sorgen angehört hatte, und meinte dann wie zur Aufmunterung, „wirkt auch gegen Hautkrebs.“ Ich zuckte getroffen zusammen, aber dann fügte er rasch noch hinzu: „Und übrigends, kauf' Karotten. Das macht eine Haut wie Bronze, weißte.“ Das klang überzeugend. Das hatte ich schon mal gehört. Ich begann sofort mit der Therapie. Unentwegt aß und knabberte ich fortan das Zeug, nahm es mit zur Arbeit, ins Kino, ja sogar aufs Konzert. Endlich schien alles wieder gut. Doch nun sind zwei neue Probleme aufgetaucht. Einmal meldete jüngst dpa, drei knallrote (!?) Tschechen hätten behauptet, möhrensüchtig zu sein. War ich ahnungslos in eine weitere Sucht gestolpert? Schlimmer noch: der Dauerkonsum der legalen Droge verwandelt mich allmählich in ein orangenähnliches Gebilde. Außerdem werde ich jetzt immer öfter Bugs Bunny genannt. Böse Nebenwirkungen! Ich geh' jetzt auf Entzug. Werde das Schlimmste mit etwas Bier abfedern. Vitamine? Bin doch schließlich kein Hase!