■ Auf Panićs Sturz folgt Säbelrasseln
: Für Sarajevo zu sterben lohnt nicht

Der Sturz des rumpfjugoslawischen Premiers Milan Panić war nur noch Vollzug. Mit dem Sieg Miloševićs über den aus den USA importierten Pharmaproduzenten bei den serbischen Präsidentschaftswahlen vom 20. Dezember hatte sich die Hoffnung, eine Alternative zum starken Mann in Belgrad aufbauen zu können, endgültig als Chimäre erwiesen. Und es kann nicht erstaunen, daß nun, wo die Fronten begradigt sind, wieder mit den Säbeln gerasselt wird — auf beiden Seiten. Selbst der britische Außenminister Douglas Hurd, der bislang mit dem Verweis auf die Gefährdung der bereits stationierten Blauhelme jede weitere Intervention abgelehnt hat, kann sich nun, wie er sagt, eine internationale Militäraktion gegen die bosnischen Serben vorstellen. Doch seine Amtskollegen in Washington und Paris, die in der Sache forscher auftreten, vermochten sich noch nicht einmal darauf zu einigen, ob das von der UNO verhängte Flugverbot über Bosnien-Herzegowina nur durch den Abschuß von Kampfmaschinen oder auch durch die Zerstörung von Flughäfen durchgesetzt werden soll. Und UNO-Generalsekretär Butros Ghali warnt allemal vor militärischen Aktionen. So bleibt es beim kleinsten gemeinsamen Nenner: Die für den 2. Januar in Genf angesetzte Jugoslawien-Runde gilt nun als „letzte Chance“, eine Eskalation zu verhindern. Eine allerletzte — so zeigt die Erfahrung mit anderthalb Jahren Krisenmanagement — wird folgen.

Und wenn die „letzte Chance“ nicht wahrgenommen wird? Und wenn die Friedensverhandlungen, die am 2. Januar zum x-ten Mal wieder aufgenommen werden, wieder nichts bringen? Es spricht immer mehr dafür, daß das Kalkül des Führers der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, aufgeht. Er setzt auf die normative Kraft der Fakten. Mit jedem Tag, der mit leeren Drohungen verstreicht, steigt das Risiko, das eine, auch nur begrenzte internationale Intervention mit sich brächte. Die internationale Staatengemeinschaft, so scheint es, hat Bosnien-Herzegowina bereits aufgegeben. Für Sarajevo zu sterben lohnt sich nicht.

Doch daß man mit der Opferung der Dreivölkerrepublik dem Frieden auf dem Balkan nähergekommen ist, dürfte sich schon bald als trügerische Hoffnung herausstellen. Im Frühling läuft das UNO-Mandat in den serbisch besetzten Teilen Kroatiens aus. Dann droht eine Neuauflage des kroatisch-serbischen Krieges, zumal die Blauhelme die serbischen Milizen ja nicht entwaffnet haben und es im inzwischen gut gerüsteten Kroatien an Kräften nicht mangelt, die die verlorenen Gebiete militärisch zurückerobern wollen. Und der Verdacht, daß die serbische Strategie des fait accompli auch im Kosovo und in Mazedonien zur Anwendung kommt, ist nicht unbegründet. Es wäre die Internationalisierung des Krieges, der Beginn eines Balkan-Krieges, der noch viel schwieriger einzudämmen wäre als der Krieg in Bosnien-Herzegowina. Thomas Schmid