Die größte Zahngold-Ausstellung aller Zeiten!

■ Die wichtigsten kulturellen Ereignisse des kommenden Jahres / Ein vorauseilender Rückblick unseres Chefauguren

9.1.93 Hansgünther Heyme stellt „wegen Geldmangels“ den Spielbetrieb gänzlich ein, entläßt das technische Personal und drei Viertel der Verwaltungsangestellten und verbarrikadiert sich im Schauspielhaus. Die Kosten sinken in der Folge von 46 auf 44 Millionen Mark.

11.1.93 Staatsrat Schwandner („Dem zeig ich's!“) dringt in das verwaiste Große Haus am Goetheplatz ein und singt im Trainingsanzug abwechselnd Orpheus und Eurydike und dirigiert nebenher („Aber mit links mach ich das!“) den Drehorgelspieler „Roland von Bremen“. Gesamtkosten der Produktion: 30 Mark Reparatur für eine lose Pfeife.

23.1.93 Die taz veröffentlicht eine Hochrechnung, der zufolge das Neue Museum Weserburg am 30. Januar mit einem Besucher zu rechnen hat und schon am 9. Februar mit einem weiteren. Direktor Deecke läßt zwei Handzettel mit Verhaltensmaßregeln drucken und erhöht die Versicherungssumme.

24.2.93 Nach einer neuerlichen Serie von Rücktritten, Putschen und Entziehungskuren im Ernst-Waldau-Theater übernimmt ein „Revolutionärer Rat des 24. Februar“ die Macht. Ihm präsidiert ein unbekanntes Paar, welches sich ausschließlich mit Schlapphut und dunkler Brille zeigt. Die Rede ist von einem „Gelübde“, argwöhnische Mitarbeiter aber wollen in der Verkleidung Ingrid Waldau-Andersen und Rolf B. Wessels erkannt haben; der „Freundeskreis“ spricht von einer „ungeheuerlichen Unterstellung“ und bekräftigt, das Theater habe sich, wie verheißen, „durch und durch erneuert“. Schon am übernächsten Tag findet die erste Premiere statt. Gegeben wird in plattdeutscher Übertragung das beliebte Erfolgsstück „Viel Lärm um nichts“; der unvergeßliche Friedrich Rebers spielt darin den Hundertmarkschein.

10.5.93 In der frisch renovierten Böttcherstraße fällt ein unbeaufsichtigtes Kind in einen Schacht. Die Feuerwehr stößt bei der Bergung auf ein grandioses unterirdisches Mausoleum. In der Mitte der Halle gähnt ein leerer Sarkophag mit der Inschrift: „Hier ruht Friedrich Rebers, Sparkassenvorstand und Baumeister der Ewigkeit“. Wenige Stunden später tritt der „Berufsverband Bildender Künstler“ (BBK) auf den Plan und fordert im Mausoleum ein Büro und einen Ausstellungsraum.

25.5.93 Jörn Christiansen, Chef des Focke-Museums, legt abermals „heruntergerechnete“ Pläne für die dunnemals versprochene Erweiterung seines Hauses vor. Die neue Fassung kostet statt 50 Millionen nur noch 12.000 Mark und sieht die Nutzung des umliegenden Rasens als Ausstellungsfläche vor. „Ein paar Paletten und für die Nacht eine Plane“, sagt Christiansen, „es wird schon gehen“. Staatsrat Schwandner findet aber, wie aus der Kulturbehörde verlautet, die Plane übertrieben: „Kann man das Zeug nicht über Nacht in den Keller räumen?“ Da tritt der BBK auf den Plan und fordert im Keller ein Büro und einen Ausstellungsraum.

27.8.93 Im Übersee-Museum endet die große „Zahngold“- Ausstellung, die größte, genauer gesagt, aller Zeiten. In vier Monaten besichtigten insgesamt 200 Besucher die Exponate des „Dentallabors Panitzke“. Die Ausstellung war unbestätigten Quellen zufolge durch einen Hörfehler des Staatsrates Hoffmann zustande gekommen: Er

hierhin kari

Brett vorm Kopf

soll am Telefon „Zarengold“ verstanden haben.

18.9.93 Die taz kündigt an, in ihrer nächsten Ausgabe werde die interne Arbeitsfassung des lang erwarteten Konzeptpapiers von Kultursenatorin Trüpel im Faksimile erscheinen. Vorab soll ein Ausschnitt von Seite 1 zu sehen sein.

19.9.93 Die Auflage der Bremer taz steigt wegen des Kulturkonzeptes an diesem Tag um 35 Prozent. Im wesentlichen handelt es sich um drei programmatische Punkte. Erstens: „Deecke soll erst mal sein Haus vollkriegen!“ Zweitens: „Rebers fragen!“ Drittens: „Mensch Helga, wo hast du mir meinen Herald Tribune wieder hingeschlampt!“ Staatsrat Schwandner dementiert die Urheberschaft.

3.10.93 Mitten in der Weser beginnen die Bauarbeiten für die geplante neue 100-Millionen- Mark-Philharmonie. Zwar reichten die bislang eingegange

nen Gelder noch nicht für das nötige schwere Baugerät, aber ein Grundstein konnte schon angeschafft werden. Er wurde feierlich versenkt.

9.11.93 Der Senat beschließt ein Konzept für die Sanierung der Glocke. Nach langem Streit zwischen Beiräten, Fraktionen, Domgemeinden, Gegnern und Befürwortern und dem BBK, der ein Büro und einen Ausstellungsraum in der Glocke forderte, hat man sich schließlich auf die Erneuerung der Garderobenspiegel einigen können. Weil sich die Domgemeinde immer noch weigert, ihr Sparschwein anzutasten, kommt es zu einem vertraulichen Gespräch zwischen Finanzsenator Kröning und Helga Trüpel. Frau Trüpel hinterher vor der Presse: „Ich werde Herrn Kröning in wenigen Tagen meine dreizehn Trüpel-Millionen zum Kauf neuer Spiegel überreichen. Wo es um den erneuerten Glanz der Glocke geht, darf es keinen Ressort-Egoismus geben“.

14.11.93 Die taz enthüllt, daß Wolfgang Stemmer, geflohener Chef des Fotoforums Langenstraße, in Wahrheit sich nicht in Australien, sondern, gedeckt von mächtigen Kumpanen, im vorgeblich vergifteten Magazin des Überseemuseums aufhält und von dort aus seine Wiederkehr betreibt. Daraufhin reagiert Helga Trüpel sofort und übergibt die leerstehenden Ausstellungsräume in der Langenstraße einem bekannten Hersteller von Fototapeten. „Damit ist auch für das mittelständische Gewerbe Bremen zu einem attraktiven Kulturstandort geworden“, sagt sie vor der Presse. Der BBK fordert im Gebäude ein Büro und einen Ausstellungsraum.

24.12.93 Die taz veröffentlicht den ersten Rückblick auf die wichtigsten kulturellen Ereignisse des Jahres 1994. Daraufhin erklärt Sabine Uhl ihren Rücktritt.

Noch am Nachmittag des selben Tages widerruft sie ihre Entscheidung. Mitarbeiter ihres Ressorts hatten sie darauf hingewiesen, daß sie gar nicht gemeint gewesen war. Manfred Dworschak