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"Ich liebe absolutistische Musik"

■ Markus Lipka im Gespräch über den Rossburger Report, sein zweiter Versuch eines Gitarrenorchesters

INTERVIEW

»Ich liebe absolutistische Musik«

Markus Lipka im Gespräch über den Rossburger Report, sein zweiter Versuch eines Gitarrenorchesters

Zwei Schlagzeuge treiben synchron voran. Ein Bass und zwölf Gitarren spielen Töne, bauen Berge und Kathedralen, formen klassizistische Säulen, Gebirgsseen, Fallwinde, 24spurige Straßen - komponiert von Christian Mevs („George & Martha“, „Slime“) und Markus Lipka („Eisenvater“).

Als scheinbar unumgängliche Näherungshilfe verfolgt den Gründer des „Rossburger Reports“ Markus Lipka der Vergleich mit dem avantgardistischen Gitarrenkomponisten Glenn Branca. Doch abgesehen vom Einsatz ungewöhnlich vieler Gitarren erinnert außer der Reduzierung auf jeweils einen Komponisten und dem Selbstverständnis als Mittler zwischen E- und U-Musik eigentlich nicht viel an den einflußreichen New Yorker.

taz: An erster Stelle Eures Selbstverständnis-Blatts nennst Du den Rhythmus.

Weil das in jeder verdammten Musik enthalten ist, und das jeder Dussel sofort begreift, egal, ob es nun ein E- oder U-Konzert ist.

Deswegen ist die Schlagzeugarbeit auch so schlicht.

Genau. Uff-ta-uff-ta. Für mich ist das minimalistische Musik. Es ist eben wirkungsvoller, Sachen wegzulassen beziehungsweise nur anzudeuten oder Andeutungen so übertrieben aufzublasen. Das erhöht die Intensität auf jeden Fall.

Parallelen zwischen Deiner Band „Eisenvater“ und dem „Rossburger Report“ sind augenfällig: Beide sind streng im Aufbau und erfüllen die Kategorien, die Du im Programmblatt nennst: Lautstärke, Masse?

Ich liebe absolutistische Musik.

Darf ich es auch monumental nennen?

Sicher, ist dasselbe. Das ist alles, was mich interessiert, was ich selber machen will.

Vor drei Jahren hattest Du schon einmal ein Gitarrenorchester gegründet. Wird dieser Versuch genaus kurzlebig?

Von mir aus nicht. Ich bin momentan höchst motiviert. Zudem das nicht zu vernachlässigende Pro- blem, für 15 Menschen einen geeig-

1neten Übungsraum zu finden, gerade beseitigt wurde: Seit neuestem probt der „Report“ in den Lagerräumen einer Kühlfirma im Freihafen.

Ihr beklagt die Trennung von E- und U-Musik, gleichzeitig sagt Ihr, das Ziel von „Rossburg Report“ sei es, die positiven Aspekte der Ernsten Musik auf die Unterhaltungsmusik zu übertragen.

Ich habe irgendwann die Vorstellung gehabt, daß es möglich sein muß, das verschmelzen zu lassen. Wie beispielsweise Bach und die Empfindungen, die ich dabei habe,

1und das, was mich an Chartsmusik berührt, wo allerdings immer etwas fehlt.

Wobei der Rossburger Report ja niemals Chartsmusik sein wird oder will?

Ja. Ich mach' immer nur die Musik, die ich gerne hören will, die es aber einfach nicht gibt, oder die ich nicht finde. Die Motivation ist also in den meisten Fällen negativ, das heißt, ich mach' was, weil ich alles andere Scheiße finde, weil ich mich darüber ärgere, daß es mir nichts gibt. Daraus entspringt bei mir ein Gefühl, 'ne Wut im Bauch, die

1wahrscheinlich irgendein Punk-Musiker auch hat, wenn er anfängt, sich einzustöpseln, alles aufzureißen und voll verzerrt loszudreschen. Bloß das langt mir eben nicht, weil ich 'ne andere musikalische Erziehung genossen habe. Gründe, warum das Ergebnis dann monumental erscheint. Und Punkrock ist insofern noch drin, weil es aus dem Bauch kommt und nicht aus dem Kopf. Den Kopf quäle ich hinterher dazwischen, damit das irgendeine Form kriegt. Wogegen ich aber hauptsächlich angehen

1möchte, ist Prinzipienreiterei — der Klassik mit ihrer uniformierten Kleidung, bei den Avantgardisten ist es prinzipiell das Gegenteil, bei Punks prinzipiell schmuddelig, dieses Prinzipielle kotzt mich an. Ich hab 'ne Wut auf Metaller, die glauben, sie sind die härtesten, Wut auf prinzipiellen Schönklang und prinzipiellen Mißklang.

Individualismus gegen Sektierertum?

Vielleicht. Es ist aber auch widersprüchlich, weil es gegen strenge Formen angeht und selbst strenge Formen beinhaltet, sogar davon

1lebt.

Warum gleich zwölf Gitarren, hättest Du dies nicht auch problemlos mit Sampling bewerkstelligen können?

Ja sicher, aber dazu bin ich dann doch zu sehr Punk. Da gäb's ja nichts zu sehen. Es kann nur live funktionieren. „Warum dann überhaupt eine Platte“ ist da natürlich eine berechtigte Frage. Für mich ist das wie ein Foto-Album. Fragen: Holger in't Veld

19.1., Live-CD-Mitschnitt im Sendesaal 1 des NDR, Karten nur bei Rock City, Tel.3196060

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