■ Das Porträt
: Liselotte Kuntner

hier Foto Nr. 10

Foto: Katja Heddinga

Eine Geburt, das ist für die Schweizer Physiotherapeutin und Ethnomedizinerin Liselotte Kuntner, ein Parforceakt, der eine entsprechende Umgebung verlangt. Ein Bett, findet die Schweizerin, ist für diesen Akt eher hinderlich. Und die in europäischen Kliniken so beliebte Rückenlage sowieso. Sie selbst hat ihre drei Kinder in Rückenlage im Bett geboren. Das war „keine physiologische Geburt“, sagt Liselotte Kuntner heute. Sie fordert Bewegungsfreiheit für die gebärende Frau: Im Stehen werde der Kreislauf angeregt, und die Schwerkraft helfe auch noch ein bißchen nach. „Zum Gebären braucht man eigentlich nur ein Seil.“ Daran könne die Frau sich festhalten und die Wehenschmerzen „abreagieren“.

Seit 30 Jahren arbeitet die 57jährige in Bern als Geburtshelferin. Ihr gespartes Geld investierte sie in Reisen, um in China, Sri Lanka, Nicaragua und Kamerun die Gebärhaltungen anderer Kulturen zu erforschen. Sie sprach mit Müttern, Ärzten und Hebammen, fotografierte und verglich. Dem Gebärhocker, früher in ganz Europa verbreitet, verhalf sie zu neuem Leben: Gemeinsam mit zwei Hebammen entwickelte sie ein bananenförmiges Höckerchen aus Holz und Leder und gab ihm den Namen der griechischen Göttin des Gebärens: maia.

Vor fünf Jahren schrieb Liselotte Kuntner ihr erstes Buch über Gebärhaltungen im Kulturvergleich. Hundert Jahre lang lag dieses Thema ihrer Meinung nach brach. In der Zwischenzeit sei die Geburt „Männersache“ geworden. Zumindest in Europa geriet sie in die Hände der Ärzte, die die Hebammen zu reinen Zuarbeiterinnen degradierten. Diese Entwicklung vollziehe sich jetzt auch in den Ländern der Dritten Welt. Auch hier würden die traditionellen Geburtshelferinnen zugunsten der Apparatemedizin zurückgedrängt. Die Frau wird von den Ärzten entmündigt, kritisiert die Schweizerin. Sie sei keine autonome Gebärende, sondern eine zu Entbindende.

Zwei Männer, die Ärzte Leboyer und Odin, machten in den Achtzigern als Väter der „sanften Geburt“ von sich reden. Auch so eine „Männeridee“, urteilt Liselotte Kuntner: „Eine Geburt ist etwas Unsanftes!“ Letztlich hätten die beiden Ärzte nur die Kreißsaalatmosphäre verändert. „Ich will nicht nur weniger Licht im Kreißsaal, ich will grundlegende Veränderungen für die Frauen, die ihnen ihre Autonomie wiedergeben.“ Diemut Roether