Ist der rosarote Flamingo eine lahme Ente?

■ In unsicheren Zeiten mangelt es ihnen an düsteren Untergangsszenarien nicht: Südafrikas Zukunftsforscher genießen zum Jahresbeginn Hochkonjunktur

Johannesburg (taz) – „Fest steht nur, daß unsere Fahne nicht rosa und nicht rund sein wird“, orakelte eine südafrikanische Tageszeitung in diesen Tagen über die Zukunft des Landes. Frederik van Zyl Slabbert, führender Politikwissenschaftler, glaubt zwar: „Die Vorzeichen für 1993 sehen besser aus als für die beiden letzten Jahre.“ Doch diese Zuversicht ist vielen knapp drei Jahre nach Beginn der Reformen abhanden gekommen. 41,7 Prozent aller Bürger glauben laut einer zum Jahresanfang veröffentlichten Meinungsumfrage, daß 1993 noch schlechter sein wird als das vergangene Jahr.

Die Unsicherheit verhilft nun einer besonderen Gattung des Zukunftsforschers zur Hochkonjunktur: dem Szenario-Planer. Die University of Western Cape (UWC) legte Mitte 1992 mit Unterstützung der deutschen Friedrich-Ebert- Stiftung die „Mont Fleur Scenarios“ vor, um – so die Einleitung – die „Debatte anzuregen, wie die nächsten zehn Jahre gestaltet“ werden sollen. Das Szenario faßt die Ursachen von Südafrikas Problemen zusammen, über die bei fast allen Analytikern Einigkeit herrscht – Mangel an Legitimation des Systems, Mißtrauen gegenüber den Sicherheitskräften, Unterdrückung, Einschüchterung, Intoleranz, politische Gewalt, die Ausbeutung regionaler Unterschiede zu politischen Zwecken. Zudem seien in vielen Gegenden öffentliche Dienstleistungen zusammengebrochen. Südafrika befindet sich in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg – schuld daran sei die Krise bei den Exportgütern Gold und Mineralien und die Verteuerung billiger Arbeitskraft. Der Arbeitsmarkt absorbiert nur etwa zehn Prozent der 450.000 Jugendlichen, die jährlich neu dazustoßen. Dem folgt eine soziale Krise mit hoher Arbeitslosigkeit, eskalierender krimineller und politischer Gewalt, rapider Urbanisierung und Entfremdung unter Jugendlichen auf dem Fuß.

Südafrika stehen laut „Mont- Fleur“ vier Wege offen: die „Vogel Strauß“-Alternative, mit einer Regierung, die den Kopf in den Sand steckt und nicht zu einer Demokratisierung bereit ist; der Weg der „Lahmen Ente“ mit einer handlungsunfähigen Regierung, die an einem langsamen, Jahre dauernden Übergang zur Demokratie festhält; das „Ikarus“-Szenario, laut dem einer Phase populistischer Wirtschaftspolitik – wohl unter einer neuen Regierung – und künstlichen Höhenfluges die fatale Bauchlandung folgt; und schließlich der rosarote Zukunftstraum des „Flamingo-Fluges“ mit gesundem wirtschaftlichem Wachstum und politischer Demokratie.

Ein ähnliches Planspiel der südafrikanischen Privatwirtschaft, das Tucker-Szenario, empfahl schon 1991, Südafrikas Wirtschaft mittels eines massiven Wohnungsbauprogramms nach dem Vorbild des deutschen Wirtschaftswunders in den 50er Jahren anzukurbeln. Das nächste Planspiel wird nicht lange auf sich warten lassen: Eugene Nyati vom Center for African Studies hofft, bald Ideen vorlegen zu können, die noch niemand hatte. Willi Germund