piwik no script img

„Grüner Punkt“: Berliner büßen doppelt

■ Beim Kauf von „Grünen Punkt“-Verpackungen wird für Wiederverwertung mitbezahlt/ Doch Sammelbehälter fehlen

Berlin. Der Grüne Punkt wird für Berliner Verbraucher eine teure Sache. Laut der sogenannten Verpackungsverordnung des Bundesumweltministers müßten Käufer die Verpackungen mit dem Signet nach Gebrauch eigentlich in die Tonnen privater Müllentsorger werfen. Doch in Berlin mangelt es an „gelben Tonnen“ für kunststoff- und metallhaltige Verpackungen – im gesamten Stadtgebiet gibt es erst 5.000 dieser gelben Sammelcontainer. Zum Vergleich: Altpapier und Glas werden in 95.000 Containern gesammelt.

Genehmigung trotz Mangel an „gelben Tonnen“

Weil die meisten Berliner nun ihren Kunststoff-Müll weiter in die graue Tonne der Berliner Stadtreinigung Betriebe (BSR) werfen müssen, zahlen sie doppelt. Einmal den Preisaufschlag ihrer Waren für den Grünen Punkt und einmal am Monatsende Abfallgebühren.

Dennoch hat Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) den Einzelhandel von der Rücknahmepflicht für Einwegverpackungen vorläufig befreit. Er sieht eine regelmäßige und flächendeckende private Entsorgung von Wegwerfverpackungen aus Plastik und Metall als gesichert an. Er beruft sich auf die Verpackungsverordnung von Bundesumweltminister Töpfer (CDU). Nach dieser Verordnung muß die Verpackungsindustrie ab diesem Jahr nur jede dritte Einwegverpackung aus Plastik einsammeln und braucht davon wiederum nur jede dritte wiederzuverwerten. Erst ab Mitte 1995 müssen von zehn hergestellten Verpackungen acht eingesammelt und davon sechs recycelt werden.

DASS: Wir erfüllen die geforderte Recycling-Quote

Diese von der Industrie aufzubauende private Müllabfuhr – bundesweit das Duale System genannt – erledigt in Berlin die DASS (Die Andere System Entsorgungsgesellschaft mbH). Bei dem Sammeln von Glas und Papier sieht die DASS – eine Tochter der BSR und ALBA – keine Probleme. Mit den 95.000 kleinen und großen Behältern werde die geforderte Sammelquote erreicht, sagt DASS-Sprecher Bernhard Neitzsch. Für die Kunststoff-, Metall- und sogenannten Verbundstoffe werde die Zahl der „gelben Tonnen“ bis Jahresende auf 40.000 erhöht. Mit dieser Behältermenge sei die von Bonn geforderte Sammelquote erreichbar.

Neitzsch kritisierte, daß es beim Aufstellen der Sammeltonnen auf öffentlichen Flächen („Straßenland“) mit dem Bezirk Neukölln Abstimmungsschwierigkeiten gebe. Insgesamt sind von den beantragten Standorten noch immer 100 nicht genehmigt. Das bedeute, so Neitzsch, daß die Neuköllner entweder zu den wenigen vorhandenen Recyclingtonnen lange Wege in Kauf nehmen müßten oder die Einwegverpackungen in ihre eigene Hausmülltonne werfen. Das sei umweltpolitisch aber unerwünscht, denn Hausmüll werde deponiert und verbrannt, aber nicht wiederverwertet.

Der zuständige Baustadtrat Bodo Manegold (CDU) bezeichnete die Darstellung von Neitzsch als diffamierend. Der Bezirk sei durchaus an einer Zusammenarbeit mit dem privaten Müllentsorger interessiert, jedoch müsse die Auswahl der Standorte wohlüberlegt sein. „Bevor das Unternehmen neue Plätze für die Tonnen bekommt, muß erst einmal für eine regelmäßige Abfuhr bei den bereits aufgestellten Containern gesorgt werden“, kritisiert der Stadtrat.

Grüne: Rücknahmezwang für den Einzelhandel

Zweifel des Stadtrats, daß das Duale System nicht oder nicht genügend zur Reduzierung des Verpackungsmülls beiträgt, bekräftigte die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/ Grüne, Judith Demba. Nach ihren Informationen werden tatsächlich nur ein bis sieben Prozent der eingesammelten Kunststoffverpackungen wiederverwertet. Die geforderte Recyclingquote könne darüber hinaus schon deshalb nicht eingehalten werden, weil es für die zu verarbeitenden Mengen in Berlin mindestens 25 Sortieranlagen geben müsse – es gibt aber zur Zeit nur zwei. Deshalb hält Judith Demba es für einen Fehler, daß Umweltsenator Hassemer den Einzelhandel von der Rücknahmepflicht für Einwegverpackungen befreit hat. Dirk Wildt/Norbert Kock

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen